Seeon – Es wird beinahe geflötet im Kloster, so nett ist der Empfang. Er begrüße einen „lieben Freund“, sagt Alexander Dobrindt, „es ist toll“ und „das Team steht“. Der „liebe Freund“ nickt und nickt und lächelt. „Ein sehr wichtiges und starkes Zeichen“, sagt Boris Rhein dann.
Ein Zeichen, allerdings. Als Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten heißt Dobrindt den neuen hessischen Ministerpräsidenten auffallend herzlich als einen der zentralen Gäste der Winterklausur willkommen. Dobrindt hätte wohl bekanntere, schlagzeilenträchtigere Gäste nach Seeon locken können, entschied sich aber strategisch für den Hessen. Projekt: Brückenbau. Was Rheins Reise nämlich spannend macht, ist die abgrundtiefe Abneigung zwischen seinem Vorgänger Volker Bouffier und CSU-Chef Markus Söder. Der knorrige Bouffier, bis Mai im Amt, war einer der härtesten Gegner, die 2021 Markus Söders Kanzlerkandidatur verhinderten; was der Bayer nie vergessen und kaum verzeihen wird. Dass jetzt Rhein regiert, gibt der CSU die Chance, das Verhältnis zu kitten.
Der 51-Jährige aus Frankfurt nimmt sich auffällig viel Zeit für die CSU. Er übernachtet auf dem Rückweg vom Skiurlaub in Seeon, bringt seine wichtigsten Mitarbeiter aus Regierung und Landespartei mit. „Mir liegt diese typische CSU-Haltung“, umschmeichelt er die Gastgeber, äußert „Bewunderung, wie dieses Land regiert wird.“ Den 45 Abgeordneten schildert er, so berichten Zuhörer, wie lange er Söder und Dobrindt aus Zeiten der Jungen Union kenne. Ein „Vertrauensverhältnis“ sei das.
Politisch sind der oft betont überparteilich auftretende, mit einer schwarz-grünen Koalition regierende Rhein und die CSU nicht engste Verbündete. Der Hesse gilt selbst nicht mehr als kantig Konservativer, formuliert in der Migrationspolitik zum Beispiel vorsichtiger als Dobrindt. Er versucht aber in Seeon, sich das nicht anmerken zu lassen. Lieber schießen sich beide auf die Bundesregierung ein. Das „Ampel-Gehampel“ in Berlin tue dem Land nicht gut, sagt Rhein. Von „Ampel-Chaos“ spricht fast wortgleich Dobrindt und betont: „Wir sind die bessere Option für Deutschland.“
Als Vorbilder für ein Top- Verhältnis von Bayern und Hessen, CSU und CDU, gelten die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und Roland Koch vor rund 20 Jahren. Nutzen kann das beiderseits. Rhein muss sich wie Söder im Oktober einer Landtagswahl stellen. Er mag sich die Chancen nicht durch Streit in der Union verhageln lassen. „Wir wissen sehr genau, dass die Union dann stark ist, wenn sie zusammensteht“, lässt er in Seeon mehrfach fallen.
Auch für Söder bringt eine Allianz mit dem Hessen politisch Vorteile. Er braucht im Rest der Republik Verbündete, will er nicht – wie bei der Erbschaftsteuer – bei Abstimmungen im Bundesrat untergehen. In den selbstbewussten CDU-Aufsteigern Hendrik Wüst (NRW) und Daniel Günther (Schleswig-Holstein) findet er eher keine engen Freunde. Michael Kretschmer (Sachsen) ist wegen prorussischer Anwandlungen derzeit ein schwieriger Gesprächspartner.
Söder kümmert sich deshalb darum, eine Allianz im Süden zu schmieden, Arbeitstitel: „Süd-MPK“. Die kleine Ministerpräsidentenkonferenz aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen soll die Interessen der drei reicheren Länder bündeln, die auch als einzige in den Länderfinanzausgleich einzahlen. Parteiübergreifend natürlich, denn in Wiesbaden und Stuttgart regieren ja die Grünen mit.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER