Zwei Jahre nach dem Sturm auf das US-Kapitol wiederholen sich die erschütternden Bilder, diesmal in Brasilien. Ein fanatischer Mob verschafft sich Zugang zu Parlament und Präsidentenpalast, randaliert im Herzstück der Demokratie. Dass das Rudel Radikaler teils von Sicherheitskräften beklatscht wurde, macht die Szenen umso bedrückender. Offenbar strahlt der Trumpismus mit all seinen destruktiven Folgen weiter, als man annehmen musste.
Die Ähnlichkeiten zwischen den Ereignissen in Washington und Brasília sind bemerkenswert. Hier wie dort wurde ein (rechts)radikaler Präsident abgewählt, in beiden Fällen fantasieren die Anhänger der Unterlegenen einen Wahlbetrug herbei. Dass Donald Trump die Kapitol-Stürmer nicht rechtzeitig zurückpfiff, sie gar animierte, ist gut belegt. In Brasilien fällt auf, dass der Gouverneur und der Sicherheitsminister des betreffenden Bundesdistrikts Anhänger des nach Florida geflüchteten Jair Bolsonaro sind – und nicht auf die Gefahr reagierten. Dass sie den Angriff auf das Parlament orchestriert und in Abwesenheit des Bolsonaro-Nachfolgers Lula auf einen Militär-Putsch gehofft haben könnten, ist zumindest im Bereich des Denkbaren.
Die Verächter der Demokratie kommen zunehmend aus ihrem Inneren, und sie werden mutiger. Bei allen Unterschieden lässt das auch noch mal anders auf die Umtriebe hiesiger Reichsbürger blicken. Fanatismus befähigt zu vielem. Wehrhafte Systeme dürfen ihn nie unterschätzen.
Marcus.Maeckler@ovb.net