Die allerliebsten Konkurrenten

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Von Hubert Aiwanger, einem so eigenwilligen wie talentierten Redner, gibt es lustige Sätze über Markus Söder. 2018 verglich er den CSU-Chef mit einem fetten, schwabbeligen Ringer. Wer mit einem Sumo-Kämpfer ins Bett gehe, „der vier mal so schwer ist wie man selber, muss gut aufpassen, dass man nicht erdrückt wird“. Was der Freie-Wähler-Chef sagen wollte: Der kleine Koalitionspartner muss darauf achten, nicht unter der viel größeren CSU zu verschwinden.

Jetzt, im fünften Jahr im gemeinsamen politischen Bett, zeigt sich: Die Warnung war begründet. Der Alltag in der Koalition ist ein steter Kampf um Wahrnehmung. Söder wie Aiwanger sind die beiden emsigsten Landespolitik-Promis. Der Ministerpräsident tourt seit Monaten übers Land. Kein Neujahrsempfang in der hinteren Oberpfalz ist zu klein, keine Papst-Beerdigung in Rom zu groß. Sein Vize ist ähnlich viel unterwegs, fokussiert sich auf Kernklientel seiner Partei, regionale (Gast-/Land-/Forst-)Wirtschaft.

Weil CSU und Freie Wähler bürgerliche Wähler haben, müssten sie härteste Konkurrenten sein. Stattdessen verfolgt Söder eine Charme-Offensive. Er bekräftigt Tag für Tag, er wolle unbedingt mit Aiwanger weiterregieren: „Wir wollen eine bürgerlich-bayerische Koalition.“ Die CSU warnt er vor dem Traum von absoluten Mehrheiten: „Selbstbewusstsein ja, aber bitte nicht abheben.“

Söders Sumo-Taktik des Erdrückens – oder echte Herzlichkeit? In der CSU wird eher auf die Strategie dahinter verwiesen. Sich auf Aiwanger festzulegen, hat im Wahljahr große Vorteile. Söder belegt so, dass seine schwarz-grüne Phase, Bäume-Umarmen inklusive, vorbei ist. Er setzt sich mit der bürgerlichen Koalition in Stil und Inhalt von Berlin ab, kann auch im Bundesrat freier gegen die Ampel stimmen. „Wir sind das Gegenmodell zu Berlin“, sagt der CSU-Chef gern. Sein Vize tickt politisch nicht grob anders, seit Corona- und Windkraft-Zoff entschärft sind. Aiwanger hat seine Fraktion, die nicht zu Aufständen neigt, recht gut im Griff, Söder seine auch. Und in Umfragen haben beide eine stabile Mehrheit, aktuell 41 plus 10 Prozent.

Aiwangers Nutzen: Er positioniert sich als „nötiges Korrektiv“ und greift konservative, aber Söder-skeptische Wähler ab. Sogar jeder vierte CSU-Wähler ist gegen eine Alleinregierung der eigenen Partei. Er bekennt sich zur Fortführung: „Ich gehe davon aus, dass wir keine gesellschaftspolitischen Experimente in Bayern durchmachen müssen.“ Die Freien Wähler wollen wohl auch ihre Ministerien (Schule, Wirtschaft, Umwelt) behalten.

Die Freien Wähler, die morgen in Klausur gehen, kennen Söders Motive. Sie beschreiben aber die Zusammenarbeit auf allen Ebenen als sehr freundschaftlich. Beide wüssten, dass man sich brauche, damit die Koalition ein Gegenentwurf zur Ampel ist, sagt etwa Fraktionsmanager Fabian Mehring. Ab und zu müsse man als FW die „klare Urheberschaft herausstellen“ bei Beschlüssen der Koalition, etwa der höheren Besoldung für Lehrer jenseits der Gymnasien oder bei der Wasserstoff-Strategie. Aber „inhaltlichen Dissens“ gebe es kaum.

Bleibt das so? Unter Horst Seehofer wurde der Koalitionspartner – damals die FDP – in etwa halbjährlichem Wechsel hochgelobt und hergewatscht. Dann ging er tagelang nicht ans Telefon, wenn ein Liberaler anrief. Am Ende, 2013, flog die verunsicherte FDP aus dem Landtag. In der CSU wird kontrovers diskutiert, ob heute mehr Kante nötig wäre. Parteivize Manfred Weber rät schon lang zu einer offensiveren Auseinandersetzung mit den Freien Wählern, setzt sich aber nicht durch. Auch Söders Freund Albert Füracker, CSU-Finanzminister, hat auf die Freien Wähler einen dicken Hals, muckt aber nicht öffentlich auf.

Interessant werden könnte allenfalls, was Söder zur CSU-Klausur in Banz plant. Er hat über Silvester einen Stapel Pläne zur Schulpolitik entwickelt – um mehr Unterrichtsstunden für Lehrer, Pflichtpraktika für Studenten könnte es gehen. Schulpolitik ist eigentlich FW-Sache.

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