München – Es wirkte, als sei in Berlin ein Knoten geplatzt. Nach Monaten des Zauderns rang sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vergangene Woche zu der Zusage durch, der Ukraine 40 Marder-Schützenpanzer zu liefern. Dazu war viel internationales Zureden nötig, außerdem ein kleiner Tritt in den Allerwertesten aus Paris: Präsident Emmanuel Macron hatte die französischen Panzer-Lieferungen vor Berlin publik gemacht.
Nun gut, das Ergebnis zählt. Der Druck ist aber längst nicht vom Kessel, die nächste Diskussion nimmt schon Fahrt auf. Soll Berlin Kiew künftig auch Leopard-Kampfpanzer liefern? Die Rufe sind laut. Sie kommen aus der Union – aber auch von Grünen und FDP.
Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte am Sonntagabend in der ARD, die Lieferung von Leopard-Panzern sei „natürlich nicht“ ausgeschlossen. Der Europapolitiker Anton Hofreiter forderte sie ausdrücklich. „Ich würde mir nur wünschen, dass es gelingen würde, ohne das Gewürge und die monatelange Verzögerung, wie wir es beim Marder gesehen haben“, sagte der bayerische Grünen-Politiker RTL und ntv. Zuvor hatte unter anderem der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber die Regierung aufgefordert, ihre Blockade aufzugeben.
Dass sich der Kanzler nicht von seinen Ampel-Partnern treiben lässt, hat sich schon in früheren Debatten gezeigt. Auch Habeck schränkte ein, nun müssten erst mal die Marder in die Ukraine kommen. Andererseits ist damit eine einst selbst gezogene rote Linie schon überschritten. Beobachter meinen deshalb, es sei nur eine Frage der Zeit, bis auch der schwerer bewaffnete Leopard-Kampfpanzer geliefert wird.
Nato-Partner machen jedenfalls schon Druck. Polen etwa pocht auf eine breite Liefer-Koalition. „Natürlich könnten wir theoretisch auch einzeln handeln, aber hier brauchen wir eine breitere Nato-Zusammenarbeit, weil wir auch unsere Verteidigungsfähigkeit aufrechterhalten müssen“, sagte Vize-Außenminister Pawel Jablonski am Montag dem polnischen öffentlich-rechtlichen Radio. Den Vorschlag hatten im September schon Berliner Experten des European Council on Foreign Relations in einem Papier gemacht. Ihnen zufolge sind Leopard-Panzer unerlässlich, wenn die Ukraine russisch besetztes Gebiet befreien will.
Vom neueren Leopard-2-Panzer wurden mehr als 3600 Stück gebaut, sie sind in 13 europäischen Ländern im Einsatz. Bisher hat die Ukraine nur Kampfpanzer sowjetischer Bauart. Die Berliner Experten argumentieren unter anderem, dass deren Reparaturfähigkeit wegen fehlender Ersatzteile Grenzen hat. Eine Umrüstung auf Nato-Gerät sei deshalb zwingend. Berlin könne Vorreiter in Europa sein.
Wie es aussieht, übernimmt die Rolle aber auch diesmal ein anderes Land. Berichten zufolge plant Großbritannien, rund zehn Kampfpanzer des Typs Challenger 2 zu liefern. Das könnte auch andere Länder ermutigen, zitiert der TV-Sender Sky News eine „ukrainische Quelle“. Laut „Spiegel“ hat die Regierung in London ihre Entscheidung den westlichen Ukraine-Unterstützern bereits „unverbindlich angekündigt“.
Berlin scheint vorerst nicht nachziehen zu wollen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag, dass es zunächst keinen Kurswechsel geben werde. „Die Bundesregierung hat zum jetzigen Zeitpunkt kein Bestreben, ihrerseits Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern.“ Auch die SPD-Spitze gibt sich wortkarg. Man unterstütze die Marder-Entscheidung des Kanzlers, sagte Parteichef Lars Klingbeil. Zu den Leopards äußerte er sich nicht. mmä/dpa/afp