Renten von den Löhnen entkoppeln?

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

München – Die Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer fordert, die Rente von den Löhnen abzukoppeln. „Wir sollten besonders hohe Renten künftig abschmelzen“, sagte Schnitzer der „Süddeutschen Zeitung“. „Wer üppige Rentenansprüche erarbeitet hat, bekäme dann etwas weniger.“

Bisher sind die Renten an die Löhne gekoppelt. „Das sollte sich ändern“, erklärte Schnitzer. „Die Renten sollten nicht mehr so stark steigen wie die Löhne.“ Davon wären laut der Wirtschaftsweisen in erster Linie die betroffen, die besonders lange Rente beziehen. „Und dies sind erfahrungsgemäß reichere Menschen, denn Besserverdienende leben im Durchschnitt deutlich länger und haben weitere Einkommensquellen.“

Zudem sollte unter den Rentnern umverteilt werden. „Wer doppelt so viel in die Rentenkasse einzahlt, sollte nicht mehr automatisch doppelt so viel herausbekommen“, sagte die Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin.

Die Vorschläge sind vor allem deshalb brisant, weil Schnitzer die Vorsitzende der fünf „Wirtschaftsweisen“ ist, die im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Bundesregierung berät.

Die 61-jährige Ökonomin ist überzeugt, dass deutlich weitergehende Schritte als bisher geplant nötig seien, um das deutsche Rentensystem zu sichern. „Wenn man das Rentenniveau so wie geplant halten will und gleichzeitig die Beitragssätze begrenzen, dann müsste noch viel mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse fließen“, erklärte Schnitzer. Ähnlich hatte sie sich unlängst in einem Interview mit unserer Zeitung geäußert. Derzeit zahle der Bund pro Jahr bereits 110 Milliarden Euro für die Renten, ein Viertel des Haushalts. „Wenn wir es so laufen lassen, müsste der Bund in 25 Jahren mehr als die Hälfte des Haushalts dafür ausgeben.“

In der Ampelkoalition stoßen Schnitzers Forderungen auf Ablehnung. Der SPD-Rentenexperte Martin Rosemann erklärte unserer Zeitung, dass Senioren gesetzlich vor einer Rentenkürzung geschützt seien: Für die Rentenversicherung gelte „das verfassungsrechtlich geschützte Äquivalenzprinzip: Demzufolge müssen den eingezahlten Beiträgen entsprechende Leistungen gegenüberstehen“. Auch FDP und Grüne erteilten den Vorschlägen der Regierungsberaterin eine Abfuhr. Die Wirtschaftsweise Schnitzer meint dazu, die Politik traue sich nicht an das Renten-Thema heran. „Das wird aufgeschoben, bis es nicht mehr geht“, sagte Schnitzer.

Aber auch der Sozialverband VdK lehnt Schnitzers Forderungen ab: „Der Vorschlag von Frau Schnitzer klingt wie eine doppelte Rentenkürzung“, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Diese Umverteilung unter den Rentnern löst aus meiner Sicht nicht das Finanzierungsproblem in der Rentenversicherung.“

Das zentrale Problem im Bereich der Alterssicherung liege nicht in den hohen Renten, sondern in den zum Teil sehr hohen Pensionen, so die VdK-Chefin weiter. Ohnehin würden nur wenige hundert Senioren eine Rente von mehr als 3000 Euro brutto erhalten. „Diese Menschen haben mindestens 50 Jahre eingezahlt“, so Bentele. Wer 45 Jahre immer den Höchstbetrag in die Rentenkasse eingezahlt hat, bekommt 2022 rund 2962 Euro brutto oder 2636 Euro netto. „Bei Beamten ist es eher der Normalfall, dass sie mehr als 3000 Euro Pension bekommen“, so Bentele. „Laut Statistischem Bundesamt lag 2022 das Ruhegehalt für Pensionäre des öffentlichen Dienstes bei durchschnittlich 3170 Euro brutto.“ Vor diesem Hintergrund fordert sie eine grundsätzliche Reform der Rentenversicherung, die alle Erwerbstätigen, also auch Beamte, Politiker und Selbstständige in die Rentenversicherung einbezieht: „Mehr Beitragszahler, die gleichzeitig höhere Beiträge zahlen, führen zu mehr Einnahmen in das gesetzliche Rentensystem.“

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