Addis Abeba/München – Drei Tage ist es her, dass Annalena Baerbock nach Charkiw reiste. Die deutsche Außenministerin mitten im Kriegsgebiet. Die Bilder liefen auf allen Kanälen – wo die Nachrichtensendungen ohnehin täglich einen Platz für die Kämpfe in der Ukraine freihalten.
Gestern dann kam Baerbock in Addis Abeba an. Gemeinsam mit ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna besucht sie das ostafrikanische Äthiopien. Auch hier tobte bis vor Kurzem noch ein Krieg. Nur, dass das in Europa kaum jemand mitbekommen hat.
Seit Jahrzehnten streiten sich verschiedene Volksgruppen um die Vorherrschaft in Äthiopien. Lange hatten die Tigray sie inne – genauer gesagt deren einstige Rebellenbewegung TPLF, die das Land erst von einer Diktatur befreite und später selbst autoritär beherrschte. Es war dann der heutige Ministerpräsident Abiy Ahmed von der Volksgruppe der Oromo, der die TPLF herausforderte und den Krieg mit dem Nachbarn Eritrea beendete. Für Letzteres hatte er 2019 noch den Friedensnobelpreis erhalten. Doch kurz darauf erlebte Äthiopien einen neuen Krieg – im eigenen Land. Der Konflikt zwischen Ahmed und der TPLF war in Tigray eskaliert. Bis zu 600 000 Menschen sollen umgekommen sein.
Seit Kurzem herrscht nun wieder Frieden. Einen Tag vor dem Besuch der beiden Außenministerinnen hatten die Rebellen in Tigray nach eigenen Angaben mit der Übergabe ihrer schweren Waffen begonnen – damit kommen sie ihrer Verpflichtung in einem Anfang November geschlossenen Friedensabkommen nach. Doch was bleibt, ist die Hungerkrise im Land, die von Dürren und Naturkatastrophen befeuert wird. Der russischen Krieg in der Ukraine verschärft die Situation – denn Äthiopien ist von Weizen und Düngemitteln aus beiden Ländern abhängig.
So wird Russland auch im Osten Afrikas ein Thema. „Der russische Präsident setzt Getreide, setzt Lebensmittel als Waffe ein“, sagte Baerbock Stadt Adama beim Besuch des landesweit größten Getreidelagers des UN-Welternährungsprogrammes (WFP). Umso wichtiger sei es, zu helfen. Der Lagerkomplex hat eine Kapazität von 218 000 Tonnen. Aus der Ukraine waren Ende Dezember über Dschibuti 25 000 Tonnen Weizen geliefert worden, die dort auf die Verteilung warten. Deutschland und Frankreich haben die ukrainische Getreidespende mit der Finanzierung und der Organisation des Transports unterstützt.
„Die Menschen hier, die unter der Dürre leiden, sind nicht verantwortlich für das, was in der Ukraine passiert. Daher müssen wir ihnen helfen. Das ist eine humanitäre Pflicht“, sagte Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna. Paris und Berlin sagten weitere Hilfe im Kampf gegen die Nahrungsmittelkrise in Äthiopien zu, allerdings ohne konkreter zu werden.
Auch ein anderes Land will sich in Äthiopien weiter engagieren: China. Dessen neuer Außenminister Qin Gang war erst am Dienstag zu Gast und versprach, Peking werde sich am Wiederaufbauprozess des Landes beteiligen. Abhängigkeiten gibt es schon jetzt: Äthiopien steht, wie viele andere Länder, wegen früherer Infrastrukturprojekte bei China in der Kreide. Schulden: 13,7 Milliarden Dollar.