VON GEORG ANASTASIADIS
Kanzler Olaf Scholz ist ein bedächtiger Mann, der nicht zu Schnellschüssen neigt. Im Ukraine-Krieg gilt für ihn weiterhin die Devise: So wenig Waffen wie möglich so spät wie möglich. Das soll zugleich Putin, die sorgenvollen Bundesbürger und die ungeduldigen Verbündeten beschwichtigen. Doch auf dem ukrainischen Schlachtfeld zeigt sich immer deutlicher, wie grausam und letztlich unhaltbar die Strategie des Kanzlers ist. Sie zementiert das Patt und den Stellungskrieg: Was die Ukrainer an Unterstützung erhalten, ist zu viel zum Sterben und zu wenig zum Überleben. Eine Rückeroberung der von Putins Truppen besetzten Gebiete ist für Kiew so nicht möglich. Das verlängert diesen von Russland immer hemmungsloser geführten Krieg, weil der Kreml keinen Anlass für Verhandlungen sieht, solange er die „neurussischen“ Provinzen halten kann, und die Ukrainer niemals einwilligen können, fast die gesamte Schwarzmeerküste abzutreten.
In Europa kursiert über den Kanzler deshalb ein böses Aperçu: Wer bei Scholz Führung bestellt, bekommt sie – von Biden, Macron und dem Polen Duda. Dessen Ankündigung, den Ukrainern Leopard-2-Kampfpanzer überlassen zu wollen, bringt Scholz massiv unter Druck. Stoppt er die Weitergabe der Panzer aus deutscher Herstellung, brüskiert er nicht nur Polen, sondern die Mehrheit all jener Verbündeter, die mehr Anstrengungen zur Verteidigung der Ukraine verlangen. Zudem zerbröselt die (ja nicht falsche) Position des Kanzlers, nicht im Alleingang zu handeln, jeden Tag mehr. Amerikaner, Briten, Franzosen, Spanier, Polen, sie alle warten darauf, dass Scholz Führung übernimmt – oder eine europäische Lösung wenigstens nicht weiter blockiert.
Georg.Anastasiadis@ovb.net