Lambrecht vor dem Aus

von Redaktion

VON SASCHA KAROWSKI UND MARC BEYER

München/Berlin – Ein vom Krach der Silvesterböller übertöntes Video war der bislang letzte Aufreger um Christine Lambrecht, die von Ärger wahrlich nicht verschonte Bundesverteidigungsministerin. Nun könnte es einen noch größeren Knall-Effekt geben, den wohl letzten in ihrer Karriere als Mitglied der Bundesregierung. Medienberichten zufolge soll sich Lambrecht entschlossen haben, ihr Amt niederzulegen. Die Initiative dazu komme von ihr selbst.

Aus Berliner SPD-Kreisen war am Freitag zu hören, die Ministerin habe bei der Fraktionssitzung sichtlich angeschlagen gewirkt. „Sie war kreidebleich“, sagte ein Genosse unserer Zeitung. Bislang sei intern lediglich über eine Kabinettsumbildung im Februar gesprochen worden. Zum einen sei es dabei um Innenministerin Nancy Faeser gegangen, die bei der Landtagswahl in Hessen womöglich als Spitzenkandidatin der SPD ins Rennen geht. Aber auch der Name von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sei in dem Rahmen gefallen. Doch auch die Spekulationen über den Rücktritt der Verteidigungsministerin hätten einen realen Hintergrund, sagt ein anderer Sozialdemokrat. „Es herrscht intern gerade Chaos.“

Aus Parteikreisen gab es am Freitagabend von mehreren Seiten Hinweise darauf, dass Lambrecht kommende Woche über das Amt entscheiden könnte. Mit dem Kanzler habe sie bereits gesprochen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte bloß, es handle sich um „Gerüchte, die wir nicht kommentieren“.

Aktueller Anlass soll die Einsicht sein, dass im Ministerium ein Neuanfang notwendig sei. Im Grunde aber ist diese Erkenntnis nur das Resultat von vielen kleineren und größeren Vorfällen, die insgesamt Zweifel an der Eignung Lambrechts aufkommen ließen. Das unselige Neujahrsvideo war womöglich der eine Patzer zu viel. In unguter Erinnerung geblieben ist etwa der gemeinsame Flug mit ihrem Sohn in einem Hubschrauber der Flugbereitschaft, der die Lambrechts in den Urlaub brachte. Dass der Junior den Trip selbst bezahlte, minderte die Kritik nicht.

Auch fachlich gab es schon früh Zweifel an der Ministerin, nicht nur wegen ihrer unglücklichen Ankündigung kurz vor Ausbruch des Ukraine-Krieges, dem Land mit 5000 Helmen zu helfen. Das Gefühl, das angesichts der von Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ zentrale Ressort befinde sich in den richtigen Händen, wollte sich nie einstellen. Genüsslich wurde schon früh verbreitet, wie sehr Lambrecht angeblich mit dem Amt fremdle. So falle es ihr schwer, sich die unterschiedlichen Dienstgrade zu merken.

In der Öffentlichkeit hatte sie zuletzt kaum noch Kredit. Aus dem neuesten ZDF-„Politbarometer“ geht hervor, dass 60 Prozent der Befragten für einen Rücktritt Lambrechts waren. Selbst unter SPD-Wählern waren es 50. Veröffentlicht wurde die Umfrage just am Freitag.

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