Die große Schlacht um Lützerath

von Redaktion

VON P. ALBERS, J. SCHMIDT U. HOFSÄHS UND C. DRIESSEN

Erkelenz – Es sind Bilder wie kurz vor einer mittelalterlichen Feldschlacht. In langen Reihen stehen sich die Gegner unter schwarzen Regenwolken gegenüber. Auf der einen Seite die überwiegend vermummten Demonstranten mit Fahnen und Transparenten über ihren Köpfen. Auf der anderen Seite die dunkel uniformierten Polizisten mit Schlagstöcken, Helmen und Schutzschilden.

Die Polizei hat am Sonntag die Räumung des Protestdorfes Lützerath am rheinischen Braunkohletagebau bis auf zwei Aktivisten in einem Tunnel abgeschlossen. „Es befinden sich keine weiteren Aktivisten in der Ortslage Lützerath“, teilten die Behörden mit. Die meisten Gebäude waren am Sonntag schon abgerissen, darunter auch der Bauernhof von Bauer Eckardt Heukamp, des letzten Landwirts von Lützerath. Nach dem vollständigen Abriss will der Energiekonzern RWE die darunter liegende Kohle abbaggern.

Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten am Rande einer großen Anti-Kohle-Kundgebung am Samstag flogen am Sonntag Gewalt-Vorwürfe hin und her. Am Rande der Demo hatten laut Polizei rund 1000 großenteils vermummte „Störer“ versucht, auf das abgesperrte Gelände vorzudringen. Um sie abzuwehren, setzte die Polizei Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Zwölf Personen wurden fest- oder in Gewahrsam genommen.

Der Energiekonzern RWE äußerte sich „entsetzt über die Aggressionen und die Gewalt“. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, sprach ebenfalls von massiven Angriffen eines Teils der Demonstranten auf die Polizei. „Den von der Bühne verbreiteten Aufruf ,Jeder kann machen, was er will. Jeder entscheidet selber, wie weit er geht‘ hätte es nicht geben dürfen“, kritisierte Mertens.

Die Veranstalter der Demo und Sprecher der Lützerather Aktivisten warfen umgekehrt der Polizei Gewalt-Exzesse vor. Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstranten sagte, es sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern teils schwer verletzt worden. Die Polizei habe „systematisch auf die Köpfe von Aktivisten geschlagen“.

Nach Polizei-Angaben wurden dagegen lediglich neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. „Glücklicherweise ist niemand lebensgefährlich verletzt worden“, so die Polizei. Ein Video zeigt, wie auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer und andere auf einem Feld von Polizisten abgedrängt werden. Thunberg kehrte am Sonntag noch einmal an die Tagebaukante zurück und nahm an einer Spontan-Demo teil. Die 20-Jährige war die Hauptrednerin bei der Demo am Samstag, zu der nach Polizei-Schätzungen 15 000, nach Angaben der Veranstalter sogar mindestens 35 000 Menschen gekommen waren.

„Lützerath ist noch da, und solange die Kohle noch in der Erde ist, ist dieser Kampf nicht zu Ende“, sagte Thunberg unter dem Jubel der Zuhörer. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur kritisierte die Aktivistin die Grünen wegen ihrer Unterstützung für den Abriss von Lützerath. Konzerne wie RWE müsse man zur Rechenschaft ziehen. „Dass die Grünen mit solchen Unternehmen Kompromisse schließen, zeigt, wo ihre Prioritäten liegen“, sagte Thunberg.

Führende grüne Politiker wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine NRW-Kollegin Mona Neubaur begründen den Abriss von Lützerath damit, dass im Gegenzug der um acht Jahre auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg erreicht worden sei. Fünf Nachbardörfer würden verschont. Die ursprünglichen Bewohner aus Lützerath sind alle weggezogen.

Die Polizei teilte am Sonntag mit, dass knapp 300 Personen aus Lützerath weggebracht worden seien. Seit Beginn der Räumung seien 154 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Mehr als 70 Beamte seien seit Beginn des Räumungseinsatzes verletzt worden. Wann die beiden Aktivisten im Tunnel herausgeholt werden können, ist nach Angaben von RWE unklar. Andere Aktivisten berichteten, es gehe ihnen gut.

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