München – Seine Berufung ist gerade mal ein paar Minuten bekannt, da bekommt Boris Pistorius einen überraschenden Glückwunsch aus München. Joachim Herrmann schreibt ihm eine SMS, gratuliert herzlich, ganz ohne Stichelei. Nanu: Der CSU-Innenminister beglückwünscht den großen Aufsteiger der Ampel? Während der Rest der Union mit gerümpfter Nase Pistorius als Notlösung darstellen lässt?
Tatsächlich gibt es zwischen Herrmann und dem neuen Verteidigungsminister eine stabile Achse, Ampel hin oder her. Weil beide seit einem Jahrzehnt Kollegen sind: 2013 übernahm Pistorius das Innenministerium in Niedersachsen. Die Innenminister von Bund und Ländern, seit Jahrzehnten ausschließlich von Union und SPD, pflegen einen nicht kritiklos-kumpeligen, aber engen und vertrauensvollen Umgang. Oft gibt es hochsensible Themen zu besprechen – anstehende Razzien, Informationen der Dienste. Und oft teilen sie Pläne, Lob, Vorwürfe. Doch ehe ein Innenminister öffentlich dem anderen eins drüberbrät, ruft man sich lieber an, sagt es sich direkt.
Herrmann erzählt über Pistorius klar: Er handhabe das genauso. „Ich habe ihn immer vertrauensvoll erlebt.“ Einer, der mit Geschick seine Positionen durchsetze, sagt der CSU-Minister, und schiebt nach: „Mit Geschick. Nicht mit List und Tücke.“ Einig waren sie sich oft nicht, wurden es aber meistens; enge Absprache, seit ein paar Jahren auch per Du. Herrmann gilt als erfahrenster Ressortchef auf Unionsseite, Pistorius sprach jahrelang für die SPD-Innenminister.
Andere in der Union äußern sich zweifelnd zu Pistorius. „Offenkundig nicht erste Wahl“, sagt CSU-Chef Markus Söder. „Besetzung aus der B-Mannschaft“, sagt der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul, wenngleich selbst kein A-Promi. Herrmann mag diesen Satz nicht kommentieren, sondern warnt, man möge Pistorius „nicht unterschätzen“.
Ob sich die diskrete Achse für Bayern mal lohnen könnte? Unmittelbar wohl nicht. Die großen Streitpunkte mit dem Verteidigungsministerium sind weitgehend abgeräumt, wenn auch selten zum Vorteil des Südens. In München war der Zorn groß, als Christine Lambrecht vor einem knappen Jahr beschloss, doch keine A400M-Transportflieger in Lechfeld bei Augsburg zu stationieren. 600 Posten und 170 Millionen Euro Investitionen verlor Bayern. Dass der Niedersachse Pistorius die Entscheidung revidiert, alle A400M bei Hannover zu stationieren, glaubt man in München nicht.
Auch die Kämpfe um Kasernen und Standorte sind vorerst beendet. Hilfe vom neuen Minister könnte indes noch das Großprojekt brauchen, die 10. Panzerdivision in Veitshöchheim bis 2025 als ersten Großverband voll einsatzfähig zu machen. Der Ärger mit den Puma-Schützenpanzern neulich – bei einer Übung fielen 18 von 18 aus – lässt erahnen, wie groß da der Investitionsbedarf noch ist. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER