München/Neuss – Wenige Monate vor der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei hat ein Auftritt eines türkischen Politikers in Deutschland für Unmut gesorgt. Der Abgeordnete der Regierungspartei AKP in der Türkei, Mustafa Acikgöz, hatte am Freitag ein Video auf Twitter veröffentlicht, in dem er die Anhänger seiner Partei in Deutschland auf die anstehenden Wahlen in der Türkei einschwört.
Der AKP-Abgeordnete forderte in dem Video etwa die „Vernichtung“ von Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der sogenannten Gülen-Organisation. Man werde ihnen, wie in der Türkei, auch in Deutschland kein Lebensrecht geben, sagte er. „Mit Gottes Erlaubnis werden wir sie, egal wo auf der Welt, aus den Löchern ziehen, in denen sie sich verkrochen haben, und vernichten“, sagte er. Anhänger der PKK seien „gottlose Feinde“ der Religion, die Gülen-Organisation wolle den muslimischen Glauben verändern und „christianisieren“, so Acikgöz. Aus dem Publikum sind in dem Video zustimmende Rufe zu hören.
Alleine bei der Polizei im Rhein-Kreis Neuss sind bislang vier Anzeigen wegen des Auftritts eingegangen. In den sozialen Medien wurde der Beitrag vor allem von türkischstämmigen Nutzern kritisch kommentiert, vielfach wurden Sicherheitsbehörden adressiert.
Der türkische Botschafter wurde wegen des Vorfalls in das Außenministerium in Berlin eingeladen. „Auftritte eines türkischen Abgeordneten in Neuss dürfen sich nicht wiederholen. Hetze und Hassrede haben in Deutschland nichts verloren“, schrieb das Auswärtige Amt auf Twitter.
Man habe „unmissverständlich“ daran erinnert, dass ausländische Wahlkampfveranstaltungen vorher genehmigt werden müssten. „Wenn sich türkische Vertreter nicht an die Spielregeln halten, müssen wir Konsequenzen prüfen“, hieß es. Um welchen Auftritt es sich konkret handelte, teilte das Auswärtige Amt nicht mit.
Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker sind seit 2017 drei Monate vor Wahlen oder Abstimmungen in ihren Ländern verboten. Außerhalb von Wahlkampfzeiten müssen zudem alle politischen Auftritte ausländischer Regierungsmitglieder zehn Tage vorher beantragt und von der Bundesregierung genehmigt werden. Mit der Regelung hatte die damalige Bundesregierung Konsequenzen aus dem Streit um Auftritte türkischer Politiker vor einem Verfassungsreferendum 2017 in der Türkei gezogen. Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, hatte am Samstag erklärt, dass die Türkei die Regelungen respektiere und sich an sie halte.
Die Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei finden regulär im Juni 2023 statt, könnten aber vorgezogen werden. Ein Sechser-Bündnis, darunter die CHP und die nationalkonservative Iyi-Partei, will einen gemeinsamen Kandidaten gegen Erdogan aufstellen. Ihr Ziel ist, das derzeitige Präsidialsystem abzuschaffen, unter dem Erdogan seit 2018 weitreichende Befugnisse hat. Zudem steht die Justiz in vielen Teilen unter Kontrolle der Regierung, wie die EU-Kommission bemängelt. dpa/mas