Paris – Am ersten großen Protesttag gegen die geplante Rentenreform sind in Frankreich mehr ale eine Million auf die Straße gegangen. Massive Streiks legten Teile des öffentlichen Lebens lahm. Betroffen waren unter anderem Schulen, Züge, der Pariser Nahverkehr, Raffinerien und der öffentliche Dienst. Präsident Emmanuel Macron will das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre anheben. Dies sei „gerecht und verantwortungsvoll“, sagte er.
„Macron will, dass wir bei der Arbeit sterben“, widersprach Hamidou, ein 43 Jahre alter Mitarbeiter der Müllabfuhr, der an der Demonstration in Paris teilnahm. „Manche meiner Kollegen stehen um 3 Uhr morgens auf. Wir können nicht bis 64 arbeiten“, sagte er. Béatrice, die seit Januar ihre Rente bezieht, beklagte: „Ich habe mehr als 40 Jahre Beiträge gezählt, um jetzt eine winzige Rente zu bekommen.“ Auf Plakaten war zu lesen: „Metro – Arbeit – Friedhof“.
Am Nachmittag kam es zu ersten Ausschreitungen am Rande der Demonstration in Paris. Mitglieder des sogenannten Black Bloc, die sich oft unter Demonstranten mischen und randalieren, zielten mit Mülleimern, Flaschen und Feuerwerkskörpern auf Sicherheitskräfte, die ihrerseits Tränengas einsetzten.
Nach Angaben der Gewerkschaften gingen in etwa 250 Orten Menschen auf die Straße. Das Innenministerium ging von landesweit rund 1,12 Millionen Demonstranten aus, allein 80 000 in Paris. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsbunds CGT, Philippe Martinez, schätzte die Zahl auf „mehr als zwei Millionen“.
„Wenn sich alle Gewerkschaften einig sind, was selten ist, dann zeigt es, wie groß das Problem ist“, sagte Martinez dem Sender Public Sénat. Zu dem Streik hatten die acht größten Gewerkschaften gemeinsam aufgerufen. „Viele Leute, die sonst nicht auf die Straße gehen, sind dieses Mal dabei“, sagte Laurent Berger, Chef der als gemäßigt geltenden Gewerkschaft CFDT, dem Fernsehsender BFM.
Premierministerin Elisabeth Borne hatte in der vergangenen Woche die großen Linien der Rentenreform bekannt gegeben. Macron hatte bereits 2019 versucht, das komplizierte Rentensystem zu vereinfachen und durchzusetzen, dass Franzosen länger arbeiten. Dies hatte zu der längsten Protestwelle seit der Studentenrevolte 1968 geführt. Das Reformprojekt wurde dann wegen der Corona-Pandemie auf Eis gelegt.
Die Regierung will durch die Reform die langfristige Finanzierung des Systems sichern. Derzeit weist die Rentenkasse ein Plus auf, aber die Regierung rechnet mit einem Defizit von 14 Milliarden Euro bis 2030. Das Rentensystem kostet Frankreich laut OECD derzeit etwa 14 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. afp