Rückzug von Jacinda Ardern

Politik im Zeitraffer

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Neuseeland ist weit weg – und dennoch hat der emotionale Abschied von Ministerpräsidentin Jacinda Ardern auch hierzulande viel Aufmerksamkeit bekommen. Eine junge, vermeintlich starke Frau, die aus freien Stücken erklärt, dass sie „nicht mehr genug im Tank“ habe.

Natürlich kann man unmöglich sagen, was genau im Hause Ardern geschehen ist. Doch der Rückzug der Regierungschefin wirft ein Schlaglicht auf den Politbetrieb, der in Neuseeland nicht viel anders laufen dürfte als in Europa oder den USA: Mit der Digitalisierung rauscht der Betrieb quasi im Zeitraffer dahin. Ereignisse oder Nachrichten überschlagen sich, Reaktionszeiten werden immer kürzer. Staatschefs und Minister hasten um den Globus, Ruhephasen gibt es fast nicht mehr – auch kaum noch Zeit, um schwierige Entscheidungen von komplexen Sachverhalten noch mal zu überdenken.

Daraus folgt eine schwierige Frage: Wer tut sich so etwas an? Immer mehr zieht sich der Politbetrieb seinen Nachwuchs selbst: Die Parteijugend fängt als Mitarbeiter von Abgeordneten in den Parlamenten ein, kandidiert dann selbst und steigt auf. Normale Berufe werden immer seltener, Parlamente sind längst nicht mehr Spiegelbild der Gesellschaft. Leider. Auch mangels Alternativen hört kaum einer freiwillig auf. Umso beeindruckender – aber auch alarmierender – ist der Schritt von Jacinda Ardern.

Mike.Schier@ovb.net

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