WIE ICH ES SEHE

Großmutter, wir lieben Dich

von Redaktion

Immer schon waren Großeltern wichtig im Leben ihrer Enkel. Meine Großmutter aber habe ich nur mit einem dunklen Kleid im Sessel sitzend in Erinnerung. Die Großeltern ragten sozusagen aus einer anderen Zeit in unsere Kinderjahre hinein, liebevolle und respektierte Persönlichkeiten.

Wir Jungen waren viele, sie waren wenige. Ich besitze noch ein Foto von der Feier des 80. Geburtstages meiner Großmutter im Jahre 1950. Um die Jubilarin geschart ein paar wenige „Alte“ und dann eine fast unübersehbare Schar von uns Kindern, Vettern und Cousinen aus der ganzen Familie.

Nie wäre es uns in den Sinn gekommen, die Großeltern zu irgendwelchen Hilfsleistungen heranzuziehen, sondern im Gegenteil, sie, die Alten, wurden im wahrsten Sinne gestützt von uns Enkeln. Gerne ließen sich auch beide, Großvater wie Großmutter, etwas vortragen, was wir gelernt hatten, zum Beispiel ein schönes Gedicht. Da gab es immer eine kleine Belohnung.

Heute hat das Verhältnis von Großeltern zu Enkelkindern sich im wahrsten Sinne des Wortes umgekehrt. Waren es damals wenige Alte und viele Kinder, so gibt es heute bald genauso viele Großeltern wie Kinder unter 15 Jahren. Schuld daran ist einmal die ausgesprochene Langlebigkeit, mit der wir es zu tun haben. Die mittlere Lebenserwartung beträgt heute in Deutschland 78,9 Jahre für Männer und 83,6 Jahre für Frauen. Dazu sind die heutigen Alten rüstig unterwegs wie noch nie eine Generation vor ihnen.

Gab es 1960 weltweit 0,5 Milliarden Großeltern, so hat sich diese Zahl heute verdreifacht auf 1,5 Milliarden. In Deutschland machen sie fast ein Viertel der Bevölkerung aus.

Dazu hat sich die Zahl der jährlich neugeborenen Babys drastisch verringert von 1,26 Millionen (1960) auf nur noch 795 000 (2021). Die Bevölkerungsstatistiker prophezeien, dass es bald selbst in China bei schrumpfender Bevölkerung deutlich mehr Großeltern geben wird als Kinder unter 15 Jahren.

Diese vielen Großeltern sind schon heute längst unverzichtbar für die Betreuung ihrer Enkel geworden. Die im Rentenalter befindlichen „Alten“ haben ihre Reisen und ihre Zeiteinteilung vor allem danach zu richten, wann sie zum „Enkeldienst“ eingeteilt sind. Auch hier wieder tragen die Großmütter den größten Anteil. Fast 50 Prozent der deutschen Großmütter haben in einer Umfrage angegeben, dass sie regelmäßig sich um ihre Enkelkinder zu kümmern haben. Das gehört heute einfach dazu in einer funktionierenden Familie.

Gut ist das für unsere Kinder, die ja zudem oft nach einer Scheidung in einer sogenannten Patchwork-Familie leben. Großeltern dagegen sind konstant, sie geben Traditionen weiter und wirken dazu als lebenserfahrene Meinungsbildner. Vorbild und Liebe sind ihr Erziehungsmuster. Damit sind sie die besten Pädagogen, die man sich denken kann. Ein Kind braucht mehr Erwachsene, die es lieben kann, als nur die Eltern. Und im Alter von einem Kind geliebt zu werden – was gibt es Schöneres?

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VON DIRK IPPEN

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