Es ist schon grotesk: Da stolpert eine heillos überforderte Verteidigungsministerin aus dem Amt, ein augenscheinlich fachlich geeigneter Nachfolger wird berufen – und die Berliner Blase und ideologische Nischen diskutieren nichts aufgeregt geifernder als die nun fehlende Geschlechterparität im Kabinett. Das ist verrückt, das ist entrückt in einem Land, das mit einem Krieg in Europa und einer Wirtschaftskrise konfrontiert ist.
Kanzler Scholz tut gut daran, nicht in Schnappatmung zu verfallen. Er kann die Frage einer ausgewogenen Repräsentanz mit der nächsten, dann wohl größeren Kabinettsumbildung verknüpfen. Sollte sich Bundesinnenministerin Faeser für die Spitzenkandidatur in Hessen entscheiden, müsste sie mittelfristig – im Frühsommer vielleicht – ihr Amt abgeben. Das wäre ein guter Anlass, um andere zu hinterfragen, die in Berlin eine weit schlechtere Figur abgeben als sie. Karl Lauterbach zum Beispiel stand zwar immerhin für eine klare Linie bei Corona, sieht sich aber Vorwürfen ausgesetzt, er bekomme im Tagesgeschäft sein Gesundheitsressort nicht in den Griff. Zu Grübeln hat auch die FDP, ob sie mit Volker Wissing und Bettina Stark-Watzinger (angeblich für Digitales sowie für Forschung zuständig) gut aufgestellt ist. Mit wenigen Monaten Vorlauf sollte die Ampel, falls sie bis 2025 im Amt zu bleiben gedenkt, ein Personalpaket finden, in dem Kompetenz, Repräsentanz (übrigens auch regional) und Außenwirkung besser verknüpft sind als bisher.
Christian.Deutschlaender@ovb.net