Berlin: Es war ein Fiasko mit Ansage. Lange Schlangen vor den Wahllokalen am 26. September 2021, teils noch Stunden nach der offiziellen Schließung, fehlende oder falsche Stimmzettel. Wegen „schwerer systemischer Mängel“, wie der Berliner Verfassungsgerichtshof es begründete, muss die Wahl der Berliner Abgeordnetenhauses wiederholt werden. Am 12. Februar ist es so weit. Die SPD-Vorsitzende Franziska Giffey will Regierende Bürgermeisterin bleiben, die grüne Umweltsenatorin Bettina Jarasch möchte es werden. Auch CDU-Landeschef Kai Wegner macht sich Hoffnungen. Der Ausgang ist indes offen. Alle drei Parteien kreisen in Umfragen um rund 20 Prozent.
Giffey nutzt momentan die Aufregung um die Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte in der Berliner Silvesternacht, um sich in Szene zu setzen, durchaus auch mit markigen Sprüchen. „Wer so was macht, wer solche Grenzen überschreitet, der bekommt auch eine Strafe, und die kommt auch auf dem Fuße“, sagte sie kürzlich. Eilig wurden „Fünf-Punkte-Plan“ und Gipfeltreffen angesetzt. Bremen: An der Weser hat man derlei Sorgen nicht. Giffeys Parteifreund Andreas Bovenschulte hat seine erste Legislaturperiode als Bremer Bürgermeister und Präsident des Senats souverän absolviert. Und das obwohl er 2019 erst über Umwege ins Amt gekommen war. Erstmals seit 1945 hatte die SPD die relative Mehrheit verloren, die CDU wurde stärkste Kraft. SPD-Bürgermeister Carsten Sieling räumte das Feld. Jetzt steht Bremen wieder für Kontinuität: Bovenschulte ist erst der neunte Bürgermeister seit 1945 und dürfte es nach der Wahl im Mai bleiben. Der Bremer Politologe Lothar Probst sagt: „Bovenschulte ist hier der Platzhirsch, ganz klar.“ Rot-Grün-Rot steht in Umfragen gut da: die SPD mit 29, die Grünen mit 20 und die Linke, abgekoppelt vom Bundestrend, mit zehn. Sollte die FDP die Fünf-Prozent-Hürde reißen, könnte sogar Rot-Grün rechnerisch möglich werden. Doch Probst geht auch da von Kontinuität aus: „Die SPD kommt mit der Linken gut klar, besser als mit den Grünen.“ Das spreche für eine Fortsetzung zu dritt. Die CDU sackt nach den überraschenden 26,7 Prozent von 2019 auf 20 Prozent ab – und sucht neue Wege: Erstmals geht die Partei mit einer nach Geschlechtern quotierten Liste in eine Bürgerschaftswahl. Spitzenduo: Frank Imhoff und Wiebke Winter.
Bayern: Im Freistaat ist das undenkbar. Das Selbstverständnis der CSU ist auf einen starken Mann ausgerichtet – hat zuletzt aber gelitten. Seit Edmund Stoibers Triumph 2003 mit mehr als 60 Prozent der Stimmen geht es abwärts. Seit 2018 regiert Markus Söder erstmals in einer Koalition, noch dazu mit den Abtrünnigen der Freien Wähler (FW) um Hubert Aiwanger. „Damals konnte Markus Söder die CSU-Schlappe mit seiner eigenen kurzen Einarbeitungszeit entschuldigen“, sagt die Politologin Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. „2023 gibt es keine Ausrede“, so Münch.
Hessen: Noch mehr Nervenkitzel ist zeitgleich in Bayerns nordwestlichem Nachbarland geboten. Die große Frage hier ähnelt der von NRW 2022: Kann die CDU mit neuem Gesicht die Oberhand behalten? In Düsseldorf schaffte es Hendrik Wüst, sich nach der Übernahme von Armin Laschet im Amt des Ministerpräsidenten zu halten. In Hessen will Boris Rhein, der im Mai 2022 von Volker Bouffier übernahm, es ihm nachtun. Der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder erwartet „ein Rennen von drei auf Augenhöhe agierenden Personen und Parteien“ und den „spannendsten Wahlkampf in diesem Jahr“. Sollte Bundesinnenministerin Nancy Faeser für die SPD kandidieren, bekämen Rhein und sein Grüner Vize Tarek Al-Wazir gehörig Konkurrenz. Das Rennen ist also offen. Das Festhalten an Schwarz-Grün hätte für Schroeder einen hohen Preis für das Land: Hessen bezahle für die „Graue-Maus-Politik“ der Koalition mit bundesweiter Mittelmäßigkeit bis hin zu Unsichtbarkeit.