München – Es ist ein gewaltiger Schritt, auch wenn man ihn in Regierungskreisen nicht allzu laut feiern mag. Die Lieferung von Kampfpanzern sei zwar historisch, womöglich ein „Gamechanger“, trotzdem „kein Grund zum Jubeln“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch. Davor hatte der Kanzler in einer Mitteilung noch mal betont, dass man „international eng abgestimmt und koordiniert“ handele, keinesfalls allein. Berlin hüllt den Durchbruch in verbale Zurückhaltung.
Fakt ist: Deutschland wird Kampfpanzer an die Ukraine liefern. Zunächst sollen es 14 relativ neue Leopard-2-A6 aus Bundeswehr-Beständen sein, andere Länder wie Polen sollen ihre Leopards ebenfalls weitergeben dürfen. Ziel ist es, möglichst schnell zwei Bataillone mit je 40 Panzern zusammenzustellen. Stunden später kündigen die USA an, 31 Kampfpanzer M1 Abrams beizusteuern. Insgesamt sind das also rund 110.
Ukrainische Militärs halten zwar 300 für nötig, um die russischen Invasoren zurückzudrängen. Dennoch überwiegt der Dank dafür, dass die lange Hängepartie beendet ist. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, sprach mit Blick auf Leopards und Abrams von einem „Panzer-Doppelwumms“. Die deutsche Entscheidung werde „in die Geschichte eingehen“, sagte er und drängte angesichts einer erwarteten russischen Offensive zur Eile.
Tatsächlich soll es nun möglichst schnell gehen. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten an den modernen Systemen soll in Deutschland stattfinden und zügig beginnen, Militär-Experten halten vier, eher acht Wochen für nötig. Pistorius sagte, in drei Monaten könnten die ersten Leopard-Panzer in der Ukraine sein. Zum Gesamtpaket gehören auch Logistik, Munition und Wartung der Panzer.
Wie der „Spiegel“ berichtet, werden die Bundeswehr-Panzer in ein Bataillon einfließen, zu dem Finnen, Spanier und Niederländer Panzer gleichen Typs beisteuern. Ein zweites Bataillon mit älteren Leopards vom Typ 2-A4 wird demnach von Polen und Norwegen bestückt. Die Abrams könnten ein drittes Bataillon bilden. Ihre Lieferung dürfte aber deutlich länger dauern, eine US-Regierungsvertreterin spricht am Abend von „Monaten“. Auch die Briten wollen ihren Challenger II liefern.
Die Leopards gelten als beste Kampfpanzer der Welt. Ihre 120-Millimeter-Kanonen können Ziele in bis zu 5000 Metern Entfernung treffen. Von Vorteil ist auch, dass sie trotz hoher Feuerkraft sehr beweglich sind und aus der Fahrt heraus schießen können. Seine volle Wirkung entfaltet der mit vier Soldaten besetzte Leopard im Verbund mit Schützenpanzern wie dem Marder, der Kampfpanzer schützt.
Die Front bewegt sich seit Wochen kaum, weder im Süden noch im Osten. Experten gehen davon aus, dass die ukrainischen Truppen die Leopards nicht nur einsetzen werden, um eine Frühjahrs-Offensive der Russen abzuwehren, sondern auch, um selbst in die Offensive zu gehen. Der Militärexperte Carlo Masala sagte im Deutschlandfunk, ein Ziel könnte sein, die östliche Front von der südlichen zu trennen, ein anderes, Gebiete im russisch besetzten Donbass zurückzuerobern. „Der Leopard ist aber keine Wunderwaffe“, sagte er. Er erleichtere lediglich die Operationsführung.
Ähnlich urteilt der Wiener Militärhistoriker Markus Reisner. Die Ukraine müsse nun schnell in die Offensive gehen, sagte er bei n-tv, denn auch die Russen bereiteten sich vor. Deren Kampfpanzer seien zwar in einem erbärmlichen Zustand, rund 2000 könnten aber gefechtsfähig gemacht werden. Insgesamt könnten die Leopards der Ukraine zu Offensiven verhelfen, aber „Russland nicht in einem Ausmaß schwächen, dass sich Putin davon bedroht fühlen würde“. Am Ende, sagt Reisner, machten erst Kampfflugzeuge den Unterschied.
Das könnte die nächste große Debatte sein. Ex-Botschafter Melnyk fordert schon weitere Hilfe für die Luftwaffe, etwa deutsche Tornado-Jets. Darauf, dass sich die ablehnende Haltung Berlins dazu geändert hätte, deutet aber nichts.