Berlin – Äußerlich ist kein Unterschied zu erkennen. Kurzes Haar, dunkles Sakko, dunkle Krawatte, weißes Hemd. Olaf Scholz sieht aus wie immer, als er sich den Fragen der Bundestagsabgeordneten stellt. Dreimal jährlich, stets an einem Mittwoch um 13 Uhr, findet im Berliner Reichstag dieses Ritual statt. Es dauert 90 Minuten – Routine meist. Doch diesmal fällt die Befragung auf den Tag, nachdem klar wurde, dass nicht nur Deutschland selbst Kampfpanzer an die Ukraine liefert, sondern in Absprache mit Berlin auch die Amerikaner. Und so steht natürlich die Frage im Raum, ob der Kanzler, in dem die politische Konkurrenz zuletzt nur noch einen Zauderer sah, in Wahrheit vielleicht doch ein großer Stratege ist.
Ob wirklich alles so geplant war oder Scholz vielmehr von US-Präsident Joe Biden aus einer verfahrenen Situation gerettet werden musste, wird – wenn überhaupt – wohl erst in Jahren ans Licht kommen. Scholz allerdings gibt sich bei der Befragung am Mittwoch sichtlich Mühe, die für ihn freundlichere Version zu unterfüttern.
Der Kanzler tritt mit breiter Brust auf. „Wenn wir Ihren Ratschlägen folgen würden, wäre das eine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands“, knallt er dem CDU-Abgeordneten Jürgen Hardt stellvertretend für die gesamte Union vor den Latz, als dieser Scholz und dessen Zögern für einen diplomatischen „Flurschaden“ bei Deutschlands Verbündeten verantwortlich macht. „Ein schlimmer, schwerer Fehler“ wäre es gewesen, in dieser Frage alleine voranzugehen, sagt Scholz. Noch mehrmals wird er während der Befragung darauf hinweisen, wie wichtig es sei, „dass wir uns nicht haben treiben lassen“. Schließlich müsse Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine immer klarstellen, „dass wir gleichzeitig eine Eskalation des Krieges zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato verhindern“. Und es gebe nun einmal „keine mathematischen Gewissheiten“, wo da die Grenze liege.
Nach der größten Oppositionsfraktion ist dann mit den Grünen ein Ampel-Partner an der Reihe. Die erwartet freundliche Frage von Agnieszka Brugger nutzt der Kanzler als Stichwort, um weitere Andeutungen zu platzieren, die ihn im milden Licht des ausdauernden Verhandlers erscheinen lassen. Die getroffenen Entscheidungen seien ja „seit einiger Zeit vorbereitet worden“, betont Scholz – und merkt mit leichter Süffisanz an: „Die Kalender in anderen Hauptstädten richten sich nicht nach irgendwelchen Ereignissen in Deutschland.“
Als dann auch noch Scholz‘ Parteifreund Nils Schmid dem Kanzler eine weitere Frage auflegt, nutzt dieser die Gelegenheit, die „große, große Übereinstimmung mit dem amerikanischen Präsidenten“ herauszustellen, der sich als „wirklich guter Partner“ erweise. Gemeinsam sei man sich auch einig, wo Grenzen liegen. Den Einsatz von Kampfflugzeugen oder gar Bodentruppen schließt Scholz ausdrücklich aus.
Beinahe etwas skurril wirkt es dann angesichts der Bedeutung des Themas, als die Linke plötzlich eine Frage zur Doppelverbeitragung von Krankenkassenbeiträgen bei Direktversicherten an den Kanzler richtet. Doch die Fragestunde ist thematisch offen. In der Folge geht es auch noch um weitere Angelegenheiten weit abseits von Krieg und Frieden.
Seine Botschaft des Tages hat der Kanzler da ohnehin schon lange gesetzt: „Vertrauen Sie mir, vertrauen Sie der Bundesregierung.“
SEBASTIAN HORSCH