EU will Abschiebungen erleichtern

von Redaktion

Schweden schlägt vor, die Visa-Vergabe an Bürger bestimmter Länder zu erschweren – Nancy Faeser ist skeptisch

Stockholm – Angesichts von vier Millionen Ukraine-Flüchtlingen und massiv gestiegenen Asylbewerberzahlen will die Europäische Union Abschiebungen beschleunigen. Der schwedische EU-Ratsvorsitz erklärte gestern nach einem Innenministertreffen in Stockholm, es gebe eine „breite Unterstützung der Mitgliedstaaten“ für den Vorschlag, die Visa-Bedingungen für Herkunftsländer von Migranten zu verschärfen, die nicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürger bereit sind. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich skeptisch über den Vorstoß geäußert.

„Es ist wirklich wichtig, abgelehnte Asylbewerber zurückzuführen“, betonte die schwedische Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard. Die Abschiebung scheitere jedoch oft am Widerstand der Herkunftsländer.

In Schweden regiert seit Oktober eine Minderheitsregierung, die auf die Stimmen der rechtsradikalen Schwedendemokraten angewiesen ist und die Einwanderung beschränken will. Um den Druck auf die Herkunftsländer abgelehnter Asylbewerber zu erhöhen, will Schweden die Vergabe von Visa an Staatsbürger solcher Länder erschweren.

Während Frankreich und Italien Zustimmung signalisierten, äußerte sich Faeser „zurückhaltend“ zu dem Vorschlag. Die Bundesregierung setzt nach Angaben der SPD-Politikerin vielmehr auf Anreize für die Herkunftsländer. Sie wolle „insbesondere mit nordafrikanischen Staaten Migrationsabkommen schließen, die zum einen legale Wege nach Deutschland ermöglichen, aber zum anderen eine funktionierende Rückführung beinhalten“, sagte sie.

Seit 2020 kann die EU Visa als Druckmittel gegen Herkunftsländer nutzen. Bisher hat sie dies aber nur im Fall des westafrikanischen Gambia getan. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte, sie wolle den Mitgliedsländern nun häufiger vorschlagen, zu dem Mittel zu greifen. Schweden und Dänemark wollen zudem die Entwicklungshilfe zurückfahren.

„Viele Mitgliedsländer stehen unter massivem Druck“, betonte Johansson. Sie verwies auf die Zahl der irregulären Einreisen in die EU, die im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit 2016 gestiegen war. Die Grenzschutzagentur Frontex zählte rund 330 000 Ankünfte, 64 Prozent mehr als 2021. Die Zahl der Asylanträge in der EU verdoppelte sich in dem Zeitraum auf mehr als 920 000. Das legt nahe, dass es eine hohe Dunkelziffer irregulärer Grenzübertritte gibt – oder Zugewanderte in mehreren Ländern Anträge stellen.

Österreichs Innenminister Gerhard Karner forderte, die EU müsse „konsequent auf die Asylbremse steigen“. Wien sieht sich durch die Migration über die Balkanroute übermäßig belastet und fordert zwei Milliarden Euro zum Ausbau der Grenzanlagen zwischen Bulgarien und der Türkei. Innenkommissarin Johansson sagte, dafür gebe es im EU-Haushalt kein Geld.

Seit der Flüchtlingskrise 2015 gelingt es der EU nicht, sich auf einen Asylpakt zu einigen. Das Thema beschäftigt als nächstes die Staats- und Regierungschefs auf einem Gipfel in Brüssel Anfang Februar.

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