Wo Bayerns Rentenlücken klaffen

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

München – Mehr als jede dritte Rentnerin (36,5 Prozent) und rund ein Fünftel der Rentner (20,9 Prozent) in Bayern müssen mit weniger als 600 Euro aus der gesetzlichen Rente auskommen. Und fast 80 Prozent der Neu-Rentnerinnen und knapp 43 Prozent der Neu-Rentner sind von Armut gefährdet, falls sie keine zusätzlichen Einkünfte haben. Denn ihre gesetzliche Rente liegt unter der Armutsgefährdungsschwelle von aktuell 1236 Euro.

Das sind einige der alarmierenden Fakten aus dem Rentenreport des DGB Bayern, der sich auf Zahlen der Deutschen Rentenversicherung stützt. „Bei der Rente geht es nicht nur um Mathematik, sondern auch um Verteilungsfragen“, erklärte Bayerns DGB-Chef Bernhard Stiedl. Er forderte, das Rentenniveau von derzeit 48 Prozent mittelfristig auf 50 und langfristig auf 53 Prozent des aktuellen Durchschnittsverdiensts anzuheben. „Das ist nicht utopisch, wie manche behaupten“, so der DGB-Chef. Denn im Jahr 2000 lag das Rentenniveau noch bei 53 Prozent und sei erst durch politische Entscheidungen abgesenkt worden.

Die Diskussion um eine über 67 hinaus verlängerte Lebensarbeitszeit hält Stiedl für eine reine Rentenkürzungs-Debatte. Denn der Rentenreport zeigt, dass das tatsächliche Renteneintrittsalter 2021 bei 64 Jahren lag – obwohl die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren und zehn Monaten lag. Und obwohl jeder Monat, den man früher in Rente geht, einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent bedeutet.

Nur 14,3 Prozent der 65-Jährigen waren 2021 noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Von den 60-Jährigen hatten noch 57,7 Prozent einen sozialversicherungspflichtigen Job. „Das ist die Realität hinter all den Forderungen, immer länger zu arbeiten“, so DGB-Chef Stiedl. „Die Menschen schaffen es einfach nicht, bis 65 und länger zu arbeiten, weil die Arbeitsbedingungen nicht altersgerecht sind.“

40 Prozent der befragten Arbeitnehmer gaben an, dass ihre Arbeitsbelastung trotz Digitalisierung weiter gestiegen sei, so eine DGB-Umfrage. „Wir brauchen eine Trendumkehr hin zu gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen“, forderte die bayerische DGB-Vize-Chefin Verena Di Pasquale.

Schuld an der geringen Erwerbsquote bei Älteren seien aber auch die Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer trotz des lautstark beklagten Fachkräftemangels nicht einstellen wollen oder sogar kündigen, beklagte Stiedl.

Auch die Zahl derer, die wegen Erkrankungen Erwerbsminderungsrente beantragen, bleibt mit 23 277 im Jahr 2021 erschreckend hoch: Männer in Bayern traf dies im Schnitt mit 54 Jahren, Frauen mit 53 Jahren. Trotz Verbesserungen bei den Zurechnungszeiten sind Bezieher von Erwerbsminderungsrenten einem besonders hohen Armutsrisiko ausgesetzt. Männer bekamen im Schnitt 936 Euro Erwerbsminderungsrente im Monat, Frauen 891 Euro. Die häufigste Diagnose für eine Erwerbsminderung ist eine psychische Erkrankung (44,5 Prozent bei Frauen und 32,2 Prozent bei Männern).

Bayerns DGB-Chef sieht Österreich als Vorbild, wo die Rente im Schnitt 700 Euro im Monat höher sei als in Deutschland. Die Gründe dafür seien, dass dort auch Beamte, Selbstständige und Politiker in die Rente einzahlen und die Arbeitgeber stärker belastet würden. Zudem sei der Rentenbeitragssatz mit 22,8 Prozent höher als in Deutschland (18,6 Prozent).

Deutschland drohe ein weiter wachsendes Altersarmuts–Problem, da bei uns der Niedriglohn-Anteil „exorbitant hoch“ sei, so Stiedl. Davon seien vor allem Frauen betroffen. Die Folge: Die ohnehin hohe „Verdienstlücke“ zwischen den Geschlechtern (Männer verdienen im Erwerbsleben 21 Prozent mehr als Frauen) wachse im Alter zu einer noch höheren „Rentenlücke“: Laut DGB-Rentenreport liegt die durchschnittliche Rentenhöhe von Neu-Rentnern in Bayern mit 1264 Euro 34 Prozent über der von Neu-Renterinnen, die nur 833 Euro bekommen (Stand 2021).

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