Blutige Eskalation im Nahen Osten

von Redaktion

VON SARA LEMEL

Tel Aviv – Nach dem schlimmsten Anschlag eines Palästinensers seit anderthalb Jahrzehnten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Politik der harten Hand angekündigt. „Wir suchen keine Eskalation, aber wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet“, sagte der Chef der neuen Rechtsregierung am Sonntag in Jerusalem. International gibt es nach dem Anschlag von Freitagabend mit mindestens sieben Todesopfern Sorgen vor einer neuen Eskalation der Gewalt.

Der Angriff auf Besucher einer Synagoge in Ost-Jerusalem war der palästinensische Anschlag mit den meisten Todesopfern seit 2008. Am Abend des internationalen Holocaust-Gedenktags eröffnete der Mann das Feuer auf Israelis, die nach dem Schabbat-Gebet gerade eine Synagoge verließen. Sieben Menschen wurden getötet und drei verletzt, darunter ein 15-Jähriger. Der 21 Jahre alte Attentäter aus Ost-Jerusalem wurde von Polizisten am Tatort erschossen. Mehr als 40 Menschen aus seinem Umkreis wurden festgenommen.

Der Anschlag geschah nur einen Tag nach einer Razzia der israelischen Armee in Dschenin, bei der insgesamt zehn Palästinenser getötet wurden – darunter Mitglieder der militanten Gruppierung Islamischer Dschihad, die sich ein Feuergefecht mit den Soldaten geliefert hatten. Damit wurden seit Jahresbeginn 33 Palästinenser bei Konfrontationen mit der Armee oder eigenen Anschlägen getötet.

Auf den Anschlag bei der Synagoge reagierten Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland mit Freudenfeiern. Ein Sprecher der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas bezeichnete ihn als „Vergeltung für den Überfall der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Dschenin“.

Am Samstag kam es dann zu weiteren Anschlägen: Ein 13-jähriger Palästinenser verletzte zwei Israelis in Ost-Jerusalem. In der Siedlung Kedumim im nördlichen Westjordanland wurde ein Palästinenser bei einer Messerattacke erschossen.

Israelische Sicherheitskräfte versiegelten in der Nacht zum Sonntag das Haus des Attentäters in Ost-Jerusalem. Es soll zerstört werden. Netanjahu kündigte zudem an, Angehörigen von Attentätern, die Terror unterstützten, soziale Rechte zu entziehen. Weitere mögliche Schritte seien der Entzug israelischer Identitätskarten und des Aufenthaltsrechts. Auf Entscheidung des Sicherheitskabinetts sollen Israelis zudem leichter Lizenzen für Schusswaffen bekommen. Die Armee beschloss, zur Verstärkung der Polizei zwei Kompanien nach Jerusalem und in Ortschaften nahe des Westjordanlands zu verlegen.

Israels Regierung ist erst seit einem Monat im Amt. Seitdem ist der Konflikt mit den Palästinensern noch einmal gefährlich eskaliert. Die Gewaltwelle hatte allerdings schon in der Amtszeit der liberaleren Vorgängerregierung mit einer Serie von Anschlägen begonnen.

Im Einklang mit seinen radikalen Partnern kündigte Netanjahu auch eine Ausweitung des israelischen Siedlungsprojekts in den besetzten Gebieten an. Damit wolle man „den Terroristen, die uns aus unserem Land entwurzeln wollen, klarmachen, dass wir hierbleiben“. Damit begibt er sich jedoch auf Konfrontationskurs mit Israels wichtigstem Bündnispartner, den USA. US-Außenminister Antony Blinken, der am Montag in Israel erwartet wird, hatte die Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland erst im vergangenen Monat deutlich kritisiert. „Wir werden uns auch weiterhin unmissverständlich allen Handlungen entgegenstellen, die die Aussichten auf eine Zweistaatenlösung untergraben.“

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