„Je später wir Putin stoppen, desto blutiger wird es“

von Redaktion

INTERVIEW: Der CSU-Außenpolitiker Silberhorn fordert mehr Tempo bei Waffenhilfe für die Ukraine

Was liefern, wie helfen? In der Debatte um Unterstützung für die Ukraine gehört Thomas Silberhorn eher zu den Antreibern. Der CSU-Außenpolitiker, der von 2014 bis 2021 Staatssekretär in mehreren Ministerien war, fordert mehr Investitionen in Deutschlands und Europas Sicherheit. Wir haben den 54-Jährigen aus Bamberg zum Interview getroffen.

Der Leopard rollt doch. Hat Scholz da angetrieben – oder wurde getrieben?

Der Kanzler hat Führung verweigert, Hilfe verzögert und viel Vertrauen verspielt. Bei Landstreitkräften haben wir in der Mitte Europas die zentrale Rolle. Deutschland müsste mindestens eine koordinierende Funktion in Europa übernehmen, Anlehnungsnation für unsere Nachbarn in Mittel- und Osteuropa sein – von all dem ist Scholz meilenweit entfernt.

Müssen in Ihrer Logik als nächstes deutsche Kampfjets geliefert werden?

Im Moment ist es zu früh, aber zu gegebener Zeit muss die Ukraine natürlich die Lufthoheit über ihr eigenes Territorium wieder herstellen – vollständig. Doch dafür kommen deutsche Kampfflugzeuge eher nicht infrage. Die Tornados sind am Ende ihrer Nutzungsdauer. Darauf Piloten neu auszubilden, Ersatzteile nachzuproduzieren, macht militärisch und wirtschaftlich keinen Sinn. Am ehesten würden der Ukraine MiG-29-Flugzeuge aus der Slowakei helfen. Auch Polen hat MiG-29 aus alten DDR-Beständen. Dafür wäre eine deutsche Exportfreigabe nötig.

Was aus der deutschen Gerätekammer ist tabu?

Es wäre ein Fehler, von vorneherein bestimmte Systeme auszuschließen. Der Maßstab muss sein, was die Ukraine braucht, um die russische Armee aus dem eigenen Land zu vertreiben. Dazu ist jede Unterstützung mit Waffen erlaubt.

Erhebliche Teile Ihrer Parteibasis sehen Lieferungen anders, sind skeptisch.

Das mag sein. Die Leute wollen Frieden und sehen: Mit neuen Waffen gehen die Kampfhandlungen erstmal weiter. Es ist aber zu einfach zu sagen, das sei „nicht unser Krieg“. Doch – dieser Krieg betrifft uns, auch wenn wir nicht Kriegspartei werden wollen. Wenn es Putin gelingt, die Ukraine vollständig zu unterwerfen, wird er hier nicht Halt machen. Damit hat Russland öffentlich mehrfach gedroht. In der Ukraine wird täglich von Russen gemordet, gefoltert, vergewaltigt, geraubt, entführt. Die historische Erfahrung lehrt uns: Je später ein Aggressor gestoppt wird, desto blutiger und teurer wird es, den Konflikt zu beenden.

Haben Sie die Hoffnung, dass der neue Verteidigungsminister Pistorius, SPD, den Schaden in der Bundeswehr ausbügelt, den Minister seit Guttenberg angerichtet haben?

Für den Zustand der Bundeswehr sind viele Akteure aus allen Parteien verantwortlich. Es war Konsens nach 1990, die Streitkräfte abzuschmelzen. Zu Guttenbergs Zeiten mussten alle Ressorts sparen, er hatte leider den suizidalen Ehrgeiz, dabei alle übertreffen zu wollen. Seit 2014 gibt es wieder Aufwuchs bei der Bundeswehr – bei Material, Personal und Geld. Dazu braucht es so etwas wie das 100-Milliarden-Sondervermögen noch mindestens zwei weitere Legislaturperioden. Wir müssen die eigene Fähigkeit und Bereitschaft zur Verteidigung wieder ernst nehmen.

Hat es Pistorius im Kreuz – Ja oder Nein?

Der Start war gut. Er kann ein Ministerium führen und hat ein Herz für die Truppe. Die größte Baustelle wird wohl, seine eigene SPD-Fraktion zu überzeugen.

Zusammengefasst von Christian Deutschländer

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