München – In erfolgreichen Wahljahren hat die CSU zwei Grundsätze beherzigt. Erstens: Nichts ist zu klein, kein Fest zu winzig, kein Termin zu banal, um nicht dort aufzutreten. Zweitens: Nichts auf der Welt ist zu groß, um nicht mitzureden. Parteivize Manfred Weber legt der zurzeit sehr basisaktiven CSU-Spitze nun dringend ans Herz, den zweiten Grundsatz nicht zu vergessen. Er hat federführend ein Grundsatzpapier zu einem neuen Umgang mit China entwickelt. Ob er Gehör findet, ist aber offen.
Eigentlich sollte, so ist aus dem Vorstand zu hören, das erste China-Konzept der Christsozialen am Wochenende im Führungszirkel beraten, verabschiedet und dann öffentlich vorgelegt werden. Passiert ist das nicht, intern ist von strategischen Differenzen die Rede und Angst um Arbeitsplätze. Mancher wurde davon nach monatelanger Vorbereitung überrascht. Das Papier wird nun überarbeitet.
Der Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, ist durchaus spannend. Der Außenpolitiker Weber ließ ihn in der „Internationalen Kommission“ der CSU entwickeln, also einer Runde mit unter anderem Edmund Stoiber, Siko-Chef Christoph Heusgen und den Politik-Professoren Carlo Masala und James Davis. Kernaussage: „Deutschland und Europa müssen ihre Naivität gegenüber China ablegen.“ Man müsse „selbstbewusster und unabhängiger“ werden und brauche endlich eine Strategie. „Wir sehen mit Sorge, dass China sich zu einer problematischen Region mit einem Mix aus inneren Zerwürfnissen und außenpolitischer Aggressivität entwickelt“, schreiben Weber und seine Mitstreiter. „Wenn nicht jetzt, wann dann muss Europa und Deutschland handeln?“
Als Warnung, ohne das so konkret zu schreiben, dient den Autoren das westliche Strategieversagen gegenüber Russland. „Taiwan kann schnell zur Ukraine Asiens werden“, mahnt Weber mit Blick auf Drohungen Chinas, die Insel mit Militärmacht zu überfallen.
Konkret schlägt die „Internationale Kommission“ zehn Punkte vor. Darunter: die transatlantische Achse ausbauen, in Europa eine Verteidigungsunion mitsamt einer Cyber-Brigade entwickeln. In der europäischen und deutschen Wirtschaft solle man eigene, von China unabhängige Schlüsselindustrien aufbauen. Die Halbleiterproduktion soll auf unserem Kontinent neu entstehen, dazu wieder ein eigener, stabiler Pharmasektor. „Europa muss wieder die Apotheke der Welt werden“, bei Schutzausrüstung, Impfstoffen, aber auch im Kampf gegen Krebs. Die staatliche Förderung für China-Investitionen und den Handel soll sinken.
In der Bildungspolitik will die CSU laut dem Papier strenger werden. Es dürfe keine „Ausbeutung unseres Bildungssystems“ geben, wenn etwa bis zu einem Drittel aller Informatikstudenten an der TU München aus China komme, aber gleichzeitig bayerische Studenten keinen Platz bekämen. Die Konfuzius-Institute als mögliches Propaganda-Instrument sollen dichtgemacht werden.
Skepsis gegenüber China mag heute logisch klingen – ist in der CSU aber nicht selbstverständlich. Der staatsnahe Huawei-Konzern war lange einer der emsigsten Parteitags-Sponsoren. Reisen in chinesische Partnerprovinzen und nach Peking gehörten zum Pflichtprogramm der Ministerpräsidenten seit Strauß. Man sah Stoiber mit Stäbchen, Seehofer am Fuß der Chinesischen Mauer; Söder indes zögert bereits, eine Einladung anzunehmen.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER