Washington/Peking – Der Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionagesatelliten durch US-Kampfjets hat die Spannungen zwischen China und den USA verschärft. Nach tagelanger Beobachtung brachten US-Kampfjets den „Überwachungsballon“ auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden vor der Atlantikküste mit einer Rakete zum Absturz. China wurde eine „inakzeptable Verletzung“ der Souveränität der USA vorgeworfen. Der Ballon habe Militärstandorte ausspionieren sollen. Peking protestierte gegen die „Überreaktion“, wies die Spionagevorwürfe zurück – es sei ein „ziviler“ Forschungsballon auf Irrwegen.
Den Abschuss des Ballons über den USA befahl Biden bereits am Mittwoch. Als er informiert worden sei, habe er sofort angeordnet, das Flugobjekt „so schnell wie möglich“ abzuschießen. Ein Risiko für die Menschen am Boden sollte aber ausgeschlossen werden. Daher wurde erst über dem Meer und innerhalb des US-Hoheitsgebiets zugeschlagen.
Chinas Regierung äußerte „starke Unzufriedenheit“ über den Einsatz von Gewalt. Es sei eine „ernste Verletzung“ internationaler Praktiken. China behalte sich das Recht auf „notwendige Reaktionen“ vor, sagte ein Außenamtssprecher. Man habe die USA wiederholt informiert, dass der Ballon zivilen Zwecken diene und „durch höhere Gewalt“ über die USA geflogen sei, „was völlig zufällig war“. Er sei durch Westwinddrift und mangelnde Steuerungsmöglichkeit weit vom Kurs abgekommen.
Nach dem Abschuss sagte ein hoher Vertreter des Pentagons, dass die Bergung in vollem Gange und „relativ einfach“ sei. Die Trümmer lägen rund 10 Kilometer vor der Küste in einer Tiefe von etwa 14 Metern. Sie seien über rund 11 Kilometer verstreut, hieß es. Von den Geräten erhoffen sich die USA nähere Informationen über die Mission. Der Ballon war unter anderem im US-Bundesstaat Montana nahe einer US-Luftwaffenbasis gesichtet worden, wo mit Atomsprengköpfen bestückte Interkontinentalraketen lagern. Während seines Überflugs hätten die USA sofort Schritte unternommen, um die Sammlung sensibler Informationen durch den Ballon zu verhindern. Den nachrichtendienstlichen Schaden schätzt man als eher gering ein.
Die Ballon-Affäre entwickelte sich zu einer neuen schweren Belastung für die angeschlagenen Beziehungen zwischen den Mächten. Als Reaktion sagte US-Außenminister Antony Blinken seinen für Sonntag erwarteten Besuch in Peking kurzfristig ab. Es wäre der erste Besuch eines US-Außenministers in China seit 2018 gewesen. Es heißt, er hätte von Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen werden sollen.
Es gab Hoffnungen, dass der Besuch etwas zu einer Beruhigung in den turbulenten Beziehungen führt. Blinken unterstrich, dass die USA die Kommunikationskanäle zu Peking offenhalten wollten und der Besuch bald nachgeholt werden solle, „wenn die Bedingungen es erlauben“. Chinesische Staatsmedien unterstellten Blinken, nur einen Vorwand für die Absage benutzt zu haben.
Das Verhältnis beider Länder ist auf den tiefsten Stand seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 gefallen. Für Streit sorgen Chinas Rückendeckung für Russlands Krieg in der Ukraine, seine Ansprüche im Südchinesischen Meer, US-Exportkontrollen für Hightech und der Handelskrieg. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg behindern und einen neuen Kalten Krieg zu wollen. Ein US-General hielt jüngst einen Krieg mit China um Taiwan schon 2025 für möglich.
Der Einsatz von Ballons als Beobachtungsplattformen ist nicht unüblich. Anders als Satelliten können sie an einer Stelle bleiben. Sie könnten aus größerer Nähe mehr Details und Bewegungen über längere Zeit beobachten, für Radar schwer zu entdecken.
Es ist kein Einzelfall: Kolumbien und die USA verfolgen zurzeit einen weiteren Beobachtungsballon, der über dem lateinamerikanischen Land gesichtet wurde.