London/Paris – „In Großbritannien ist der König ein Kampfpilot, in der Ukraine ist heute jeder Kampfpilot ein König“: Um was es dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Überraschungsbesuch im Vereinigten Königreich gestern vor allem ging, hob er sich für den Schluss seiner Rede im Parlament in London auf. Vor hunderten Abgeordneten dankte Selenkskyj – wie gewohnt im olivgrünen Pullover – den Briten für ihr Unterstützung. Er erntete großen Applaus. Eine Zusage zur Lieferung nun auch von Kampfjets zur Verteidigung gegen Russland bekam der Gast aus Kiew aber nicht.
Zuvor hatte Premierminister Rishi Sunak es sich nicht nehmen lassen, Selensky auf dem Londoner Flughafen Stansted persönlich auf britischem Boden zu begrüßen. Arm in Arm, wie enge Freunde, zeigten sie sich auf dem Rollfeld. Später wurde Selenskyj von König Charles III. im Buckingham-Palast empfangen. Am Abend ging es dann weiter nach Paris – zu einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Élysée-Palast.
Dort sicherte Macron der Ukraine „Unterstützung bis zum Sieg“ zu. Das Land könne auf den Westen zählen, „um diesen Krieg zu gewinnen“. Auch Scholz versprach weitere militärische, humanitäre und finanzielle Hilfe. „Es bleibt dabei: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte kurz zuvor in Washington erklärt, dass das Bündnis die Ukraine bisher bereits mit 120 Milliarden Euro unterstützt habe.
Großbritannien gilt als einer der engsten Partner Kiews. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ist es auf Platz zwei der wichtigsten Waffenlieferanten nach den USA. Immer wieder war es London, das mit der Lieferung neuer Waffengattungen vorpreschte – zuletzt mit seinen Challenger-2-Kampfpanzern. Die Vorreiterrolle hatte andere Verbündete wie Deutschland unter Druck gesetzt.
Selenskyj machte klar, dass er sich auch in Sachen Kampfflugzeuge eine Führungsrolle von London wünscht. Er danke im Voraus für „leistungsfähige englische Flugzeuge“ und überreichte Unterhaussprecher Lindsay Hoyle einen Pilotenhelm als Geschenk. Sunak ließ später mitteilen, er habe das Verteidigungsministerium gebeten, die Verfügbarkeit von Kampfflugzeugen zu prüfen. Es handele sich aber um eine „langfristige“ Lösung, hieß es aus der Downing Street.
Bei einer Pressekonferenz am Abend gab Sunak bekannt, dass der britische Kampfpanzer Challenger 2 bereits im März in der Ukraine zum Einsatz kommen soll. Zu einer Zusage für Kampfjets ließ er sich jedoch nicht hinreißen. Man sei aber im Gespräch über Raketen mit größerer Reichweite, um Kiew beim Schutz der Zivilbevölkerung zu unterstützen. Selenskyj betonte die Bedeutung von Raketen, um die Gefahr durch Drohnen abzuwehren.
Nach einer Reise in die USA mit Zwischenstopp in Polen war der Besuch in Großbritannien für den ukrainischen Staatschef erst die zweite öffentlich bekannte Auslandsreise seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor knapp einem Jahr. Nach London und Paris wird er heute dann auch als Gast beim EU-Gipfel in Brüssel erwartet.
London kündigte im Zuge des Besuchs an, sein Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten zu erweitern. Sunak zufolge werden künftig auch Kampfpiloten und Marinesoldaten ausgebildet. Damit sollen ukrainische Piloten auch befähigt werden, Nato-Kampfjets zu fliegen – was die Debatte über mögliche Lieferungen solcher Maschinen aus westlichen Ländern noch weiter befeuern dürfte.