Naturschützer fordern Moratorium für Straßenbau

von Redaktion

Streit in Bayern: Während sich die Grünen anschließen, spricht die FDP von „radikalem Blödsinn“

München – Auf Bundesebene tobt der Streit schon seit etlichen Tagen – jetzt greift das Thema Straßenbau auch auf den frühen Wahlkampf in Bayern über. Den Anlass liefert der Bund Naturschutz (BN), der für einen ernst gemeinten Klimaschutz eine Neubewertung sämtlicher Straßenbauprojekte in Bayern fordert. „Wir fordern die Staatsregierung auf, sämtliche Straßenbauprojekte in Bayern auf den Prüfstand zu stellen und den tatsächlichen CO2-Ausstoß zu ermitteln“, sagte BN-Landeschef Richard Mergner in München. Bis die Neuberechnung abgeschlossen sei, müsse es für alle Bauprojekte ein Moratorium geben, also einen zeitlich befristeten Aufschub.

Der Umweltverband stützt seine drastische Forderung auf die Ergebnisse einer Studie über die Emission von Kohlenstoffdioxid (CO2), die durch die Bauarbeiten entsteht. Demnach seien die Berechnungen sämtlicher CO2-Emissionen, die im Bundesverkehrswegeplan angegeben seien, „systematisch schöngerechnet“ – sie lägen in Wirklichkeit deutlich höher. Zudem werde teilweise ein niedrigerer CO2-Ausstoß angenommen, gleichzeitig aber ein höheres Verkehrsaufkommen prognostiziert.

In der Studie wurden verschiedene Faktoren untersucht, anhand derer die klimaschädlichen CO2-Emissionen von Straßenbauprojekten im Bundesverkehrswegeplan ermittelt werden. Konkret wurden dabei die Bauprojekte der Bundesfernstraßen B26n bei Würzburg, B13 Ortsumfahrung Merkendorf, B16 Ortsumfahrung Ichenhausen/Kötz und B12 Kempten-Buchloe betrachtet.

In Bayern sollen nach Angaben des BN bis 2030 für 155 Fernstraßenprojekte 12,4 Milliarden Euro ausgegeben werden. Nach den offiziellen Berechnungen im Bundesverkehrswegeplan 2030 bedeuten allein die 127 vordringlichen Projekte den Aus- und Neubau von 900 Kilometern Fernstraßen und den Verbrauch von über 2000 Hektar Fläche. „Dieses maximale Straßenbauprogramm ist weder finanzierbar noch klima- und naturverträglich. Wenn es tatsächlich so umgesetzt wird, wäre das ein absolutes Desaster für Mensch, Natur und Klima“, sagte Mergner.

Das Thema zieht auch politisch Kreise. Unterstützung kommt von den Grünen. „Das Gutachten spricht Bände. Es zeigt einmal mehr: Mehr Geld in die Schiene statt in die Straße ist das Gebot der Stunde“, sagte Fraktionschef Ludwig Hartmann. „Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, müssen Straßenneubauten in Bayern der Vergangenheit angehören.“ Die Staatsregierung müsse „endlich“ ihrer Verantwortung gerecht werden, allen Menschen Mobilität auch ohne Auto zu ermöglichen.

Dagegen nennt Bayerns FDP-Chef Martin Hagen die Forderung „radikalen Blödsinn“. Die Grünen und ihnen nahestehende Verbände führten „einen Kulturkampf gegen das Auto“, so der Spitzenkandidat für die Landtagswahl. „Aber Millionen von Bürgern sind täglich auf das Auto angewiesen und damit auch auf eine angemessene Straßeninfrastruktur. Wir brauchen auch künftig Schiene und Straße, nicht entweder – oder.“

Auch die Staatsregierung lehnt die Forderung klar ab. „Sämtliche bayerische Straßenbauprojekte auf Eis zu legen, kommt nicht infrage“, sagte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) unserer Zeitung. Wie Hagen spricht auch der Minister von einem „Kulturkampf“ gegen das Auto. Bernreiter: „Gerade im ländlichen Raum können nicht alle Menschen mit dem Fahrrad oder dem Zug in die Arbeit fahren. Und was daneben immer vergessen wird: Auch Busse, Sammeltaxis und Elektroautos brauchen Straßen.“ M. HADEM/M. SCHIER

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