Rutschgefahr in der Bütt

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Weil das Internet nichts vergisst, ist auch Annegret Kramp-Karrenbauer nun wieder in aller Munde. Die frühere CDU-Vorsitzende, die sich Ende 2021 ins Privatleben zurückgezogen hat, wird in diesen Tagen gerne zitiert, auf eine Art, die ihr wenig gefallen wird. Nicht AKK, die Spitzenpolitikerin, kommt da zu Wort. Sondern die Teilzeit-Karnevalistin („Putzfrau Gretel“), die 2019 die wohl verunglückteste Rede ihres Lebens hielt. Grob gesagt ging es um Männer, Frauen und politische Korrektheit. Und, nun ja, darum, wer „Toiletten für das dritte Geschlecht“ benutzt.

Toilettenwitze, ganz schlechte Idee. Der Abend hängt ihr bis heute nach, und wenn es jetzt wieder um grenzwertige Faschings-Auftritte geht wie von Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei ihrer Attacke auf Friedrich Merz, dann ist der Weg zu AKK nicht weit. In der Bütt, keiner weiß das besser als sie, besteht akute Rutschgefahr.

Politiker und Büttenreden bilden eine Kombination, in der zusammengewachsen ist, was nicht wirklich zusammengehört. Der Karneval, besonders die schwungvolle Rede diente früher dem Zweck, als Vertreter der unteren Schichten ausnahmsweise und straffrei mit „da oben“ abzurechnen. „Aus einer Rolle heraus“, weiß der Trierer Karnevalsrhetorik-Trainer Marco Ringel, „sagt man etwas, was man als Privatperson nicht sagen dürfte.“

Politiker aber gehören nicht dem Proletariat an, ihre Reden haben nichts Aufständisches. Es gibt kaum etwas, was sie nicht sagen dürften, und von dieser Freiheit machen sie rege Gebrauch. Während eine gute Büttenrede durch die Blume zielt, hat der Politiker keine Scheu vor dem Holzhammer. Nicht immer trifft er da den Ton. Ringel erinnert an eine eiserne Bütten-Regel: „Beleidigend geht nicht, es gibt immer eine Gürtellinie.“

Die Kritik, die Strack-Zimmermann für ihren Auftritt bei der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ erntete, hat viel damit zu tun, dass sie diese Linie missachtete. Nicht der Inhalt wird ihr vorgeworfen, sondern die schroffe Form.

Beim selben Termin trat aber auch Annalena Baerbock auf, sie erhielt an dem Abend den Orden. Und danach eine Menge Lob. Die Außenministerin demonstrierte, wie eine Rede auch klingen kann. Der Beitrag triefte vor Selbstironie, auch wenn öffentlich eher ihr Geständnis nachhallte, sie habe „als Leopard“ verkleidet kommen wollen, hätte dann aber wahrscheinlich „keine Reiseerlaubnis“ erhalten. Sie witzelte über sprachliche Eigenarten („ebend“) und schlug von Aachener Printen den Bogen zu „eigenen Print-Produkten“ wie ihrem verunglückten Buch.

Es war dann auch Baerbock, die die Frage stellte, ob man in Kriegszeiten überhaupt Karneval feiern kann. Sie findet, ja. Der launige Umgang mit Themen, die auch mal schwer sein können, der Zusammenhalt über alle Schichten hinweg, das zeige „unsere Menschlichkeit, die uns stark macht“. Karneval sei eine Zeit, in der man „übereinander, aber auch miteinander lachen kann“.

Friedrich Merz hat an dem Abend nicht so viel gelacht. Von ihm sind jetzt wieder Aufnahmen von 2006 aufgetaucht, ebenfalls aus Aachen, damals war er derjenige, der austeilte. Er schlug vor, Mecklenburg-Vorpommern als „Totalverlust“ abzuschreiben und für einen Euro Russland zu überlassen sowie drei Millionen Arbeitslosen die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Merz war nicht zurückhaltender als heute Strack-Zimmermann. Ärger gab es aber nur, weil ein Teil der Rede sich als abgekupfert erwies.

Nicht jeder fremdelt mit den tollen Tagen so wie Angela Merkel, von der es spektakulär unlustige Bilder vom Besuch der Funkenmariechen gibt. Markus Söder etwa ist berüchtigt für seine aufwendigen Kostüme. Er war Punker, Homer Simpson und Marilyn Monroe, ehe er dazu überging, nur noch als Ministerpräsident zu erscheinen. Heute Abend in Veitshöchheim will er erstmals wieder Schminke auftragen. In die Bütt steigt er aber nicht.

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