Wiederholungswahl in Berlin

Die Wähler wollen den Wechsel

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

Beginnen wir mit der guten Nachricht: Berlin kann Wahlen organisieren. Jahrelang hatte man in der Metropole und weit darüber hinaus ja seine Witzchen über das Chaos gerissen. Dass man dann aber ausgerechnet in der Hauptstadt am ganz kleinen Einmaleins der Demokratie scheiterte, war ein echter Schock fürs Selbstverständnis Deutschlands, das sonst gerne auf den Rest Europas herabschaut. Jetzt also die gelungene Wiederholung – vielleicht auch weil viele Berliner Besseres zu tun hatten.

Statt Chaos während der Wahl herrscht nun Chaos nach der Wahl. Ja, die CDU darf sich als Gewinner fühlen, was in einer strukturell eher linken Stadt schon bemerkenswert ist. Ihr sattes Ergebnis ist eine schallende Ohrfeige für Rot-Grün-Rot – ein „Weiter so“ darf es eigentlich nicht geben. Nur: Mit wem will Kai Wegner regieren? SPD und Grüne hegen ein tiefes Misstrauen gegenüber den Konservativen. Inhaltlich spricht wenig dafür, dass sie das Lager wechseln, um hinter der CDU die zweite Geige zu spielen – auch wenn Wegner gestern die Hand ausstreckte. Linke und AfD scheiden aus. Und die FDP ist auch in Berlin in ihre Einzelteile zerfallen.

Die Regierungssuche dürfte sich hinziehen. Aber es hätte mehr als ein G’schmäckle, wenn Rot-Grün-Rot weiter- macht. In Berlin müssen sich Politik und Verwaltung neu erfinden. Die Krawalle an Silvester, die rasant steigenden Mieten, der Ärger über Verkehr oder Schulen – der Frust ist mit Händen zu greifen. „Alle lästern über die Stadt. Aber alle wollen hierher“, tönte dagegen Franziska Giffey im Wahlkampf. Eine neue Variante von „arm, aber sexy“, schon damals Unsinn. Vom lapidaren, resignativen „Dit is Berlin“ haben selbst die Berliner genug.

Mike.Schier@ovb.net

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