München – Es gibt da nichts schönzureden, also versucht sie es gar nicht erst. Franziska Giffey spricht von einem „bitteren Abend“ für die SPD, alles in allem klingt sie so, als dürfe jetzt kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Wähler, sagt sie etwas unscharf, hätten einen „deutlichen Auftrag erteilt, was Veränderung anbelangt“. Aber, und dieses Aber ist wichtig: „Wir erheben den Anspruch, diese Stadt weiterhin mitzugestalten“.
Es ist ein schwerer Auftritt für Berlins Regierende Bürgermeisterin: Seit etwas mehr als einem Jahr im Amt, ist sie nun das Gesicht einer historischen Niederlage. Dass sie selbst das durchaus unfair findet, deutet Giffey am Tag nach dem SPD-Wahl-Debakel an. 13 Monate seien eben keine fünf Jahre, meint sie, kommt dann aber auf die nächsten Tage zu sprechen. Es werde Gespräche geben, mit der CDU, aber auch mit den Noch-Koalitionspartnern von Grünen und Linken. Was auffällt: Giffey lässt sich kein Bekenntnis zu Rot-Grün-Rot entlocken. Nicht mehr.
Nach der Berlin-Wahl muss man einiges auseinanderdröseln: Die CDU ist mit gut 28 Prozent der klare Sieger, SPD und Grüne liegen fast zehn Punkte dahinter, wobei Giffeys SPD zarte 105 Stimmen stärker ist als die Grünen. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner leitet daraus am Montag einen „klaren Regierungsauftrag“ ab. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sagt: „Deutlicher kann ein Wählerwille doch gar nicht ausfallen.“ Die SPD findet indes, alles hänge davon ab, wer eine stabile Regierungsmehrheit organisieren könne. Mit anderen Worten: Die Lage ist verzwickt.
Für Giffey muss das kein Nachteil sein. In einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot bliebe sie wohl Regierende Bürgermeisterin. Um den Sozialdemokraten eine Berliner GroKo schmackhaft zu machen, müsste CDU-Mann Wegner der SPD weit entgegenkommen. Dann wäre Giffey zwar nicht mehr Landesmutter, aber ihre Karriere ginge weiter. So weit die Theorie.
Eine andere Frage ist, ob ihr Landesverband mitspielt. Dort herrscht offenbar großer Frust über die Spitzenkandidatin, viele machen sie persönlich für die Niederlage verantwortlich. Dass Giffey ihr Direktmandat verloren hat, steht stellvertretend für die ganze Partei, die nach Zweitstimmen nicht einen einzigen Wahlkreis gewinnen konnte. „Das Ergebnis ist für uns eine Zäsur“, sagte Vize-Parteichef Kian Niroomand gestern. „Es kann so nicht weitergehen“ – Aufarbeitung sei nötig. Manche wünschten sich wohl ein Signal von Giffey: Etwa den Verzicht auf den Landesvorsitz.
Stattdessen sendet sie gut hörbar Signale in Richtung CDU. Bei zentralen Themen wie innere Sicherheit, Verkehr, Wohnbau und der Reform der Verwaltung brauche es eine Neuausrichtung, sagt Giffey und betont: „Darüber müssen wir reden“, selbst bei einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot. Man kann das als ehrliche Analyse verstehen – und als Warnung an die Noch-Partner im Roten Rathaus.
Die fühlen sich der aktuellen Koalition offenbar deutlich mehr verbunden. Man werde „ernsthafte“ Gespräche mit der CDU führen, sagt die ziemlich gut aufgelegte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch am Montag, ein Bündnis schließt sie nicht aus. Man habe aber eine „deutliche Präferenz“ für Rot-Grün-Rot. Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken, wünscht sich eine Fortsetzung noch dringender. Es ist die einzige Machtoption für die Linke.
Allen ist klar: Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden und Zeit brauchen. Giffey verweist deshalb darauf, dass der Senat seine Arbeit vorerst fortsetzt. „Wir haben eine Koalition, die voll handlungsfähig ist.“ CDU-Mann Wegner macht indes Druck. Noch am Montag sollten Einladungen zu Sondierungsgesprächen an SPD und Grüne gehen. „Mein Ziel ist es, eine erfolgreiche Berlin-Regierung zu bilden, die diese Stadt wieder zusammenführt“, sagt er. Man dürfe jetzt keine Zeit verstreichen lassen. „Jetzt ist nicht die Zeit zum Taktieren. Jetzt ist die Zeit für Macher.“
Was er machen kann, hängt nicht unerheblich von Giffey und ihrer SPD ab.