Ein Hauch von Strauß in Albanien

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Tirana/Bukarest – Der ominöse Platz sieht, höflich gesagt, recht schlicht aus. Ein großes Rechteck, nachdrücklich betoniert, mit eher verstecktem Charme. Der Kiosk in der Mitte hat drei Lagen Bavaria-Bier im Angebot, der Laden gegenüber rote Luftballon-Herzerl. Aber im Moment herrscht so großer Trubel, dass die Anwohner die bunte Wäsche auf ihren Balkonen zur Seite schieben, um zu schauen, was da passiert ist.

Nichts ist passiert, fast nichts. Nur am vorderen Eck des Platzes ein Auflauf an Politikern, Kamerateams und Polizisten. Sie betrachten im Halbrund feierlich ein altes Schild: „Sheshi Franc J. Shtraus“. Der Franz-Josef-Strauß-Platz in Tirana, es gibt ihn also wirklich noch. Und jetzt steht Markus Söder da und staunt, dass sie nach seinem Polit-Urahn gleich einen Platz benannten. Eine Ehrung für Strauß, der 1984 eigenmächtig Albanien besuchte und, als Tourist getarnt, Kontakte ins isolierte Zwei-Millionen-Land knüpfte.

Es ist einer der ungewöhnlichen Momente dieses Kurzausflugs, den Söder am Montag angetreten hat. Er ist gekommen, um die Beziehungen aufzupolieren, die noch verwitterter sind als das Schild. In einer Doppel-Tour besucht Söder erst Rumänien, dann Albanien. Der Ministerpräsident sieht in den entfernten Nachbarn im Südosten eine politisch vernachlässigte Region. Es ist nicht so schick wie USA-Reisen, nicht so naheliegend wie Nachbarbesuche in Wien oder Prag. Doch er will „Bayern als Brücke“ zum Balkan aufbauen.

Ein bisschen Fundament ist noch da. Strauß in Albanien, klar. Aber auch in Rumänien, da hinterließ Barbara Stamm tiefe Spuren. Die CSU-Sozialpolitikerin war über 100 Mal da, engagierte sich für Waisen. Zwischendurch schlief der Kontakt ein, oder wurde eingeschläfert, als Rumänien in den Korruptionssumpf abglitt. Inzwischen geht es klar aufwärts und westwärts.

Nein, sagt Söder auf dem mausgrauen Shtraus-Platz in Tirana, es gehe „nicht um historische Reminiszenzen, sondern um die Zukunft“. Es hat konkrete Gründe, dass er, der als eher reisescheu oder zumindest bayernfokussiert gilt, sich nach Südosteuropa begab. Ein Schlüsselprojekt in Albanien soll das Werben um Arbeits- und Fachkräfte werden. Bayerns Wirtschaft eröffnet in Tirana ein Büro, auch um Jobs zu vermitteln.

Hintergedanke: Die überlastete Deutsche Botschaft, die mit Visa bis zu zwei Jahre lang nicht hinterherkommt, soll Trab aufnehmen, sobald Bewerber mit fertigem Arbeitsvertrag aufschlagen. Das ist allerdings auch nicht mehr als eine Hoffnung. Ähnlich in Rumänien, hier ohne Visa-Hindernisse: Die Bayern wollen Fachkräfte aus Pflege, für Kitas und IT-Projekte werben. Es leben ja schon 209 000 Rumänischstämmige im Freistaat. Im Gegenzug bieten sie den Ländern der Region Investitionen und Bildungs-Zusammenarbeit an. Das soll abfedern, dass in den Gastländern eigentlich selbst Fachkräftemangel herrscht.

Der politische Preis, den Söder zu zahlen bereit ist: Er unterstützt Albaniens Aufnahme in die EU und Rumäniens Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum, beides keine Herzensanliegen aller Konservativen Europas. Österreich zum Beispiel blockt da noch immer energisch ab. Man dürfe die Länder „nicht schulmeisterlich behandeln“, erklärt Söder im Bukarester Präsidentenpalast im Schein eines halben Dutzend Kronleuchter. Europa sei gemeinsam stärker, verkündet er auch beim insgesamt fast vierstündigen Treffen mit dem albanischen Regierungschef Edi Rama, spricht von „Freundschaft“. Und Leiden, „pain“, das aber nur rückblickend auf den gemeinsamen Bayreuth-Besuch, fünf Stunden Wagner-Oper. „Win-Win“, sagt Rama auf Englisch, was so viel heißt wie: Beide Seiten profitieren. Und „Dankeschön“ sagt er auf Deutsch.

Die Gastländer reagieren auf den bayerischen Besucher auffällig euphorisch, nicht gelangweilt, nicht irritiert. In Rumänien empfängt ihn die komplette Regierungsspitze, sogar der deutschstämmige Staatspräsident Klaus Iohannis rollt den samtroten Teppich aus. Bukarest und Tirana sperren Straßen und Kreuzungen, die Kolonne wird mit Blaulicht und fröhlich quiekenden Polizeisirenen über die Boulevards eskortiert.

Ist das nun auch gleichzeitig die Neuauflage der in Berlin mitunter gefürchteten „bayerischen Nebenaußenpolitik“, die einst Stoiber auf den Gipfel getrieben hatte? Vorerst wohl nicht. Weitere Reisepläne Söders sind nicht konkret, bei mehreren Einladungen gerade aus nicht lupenreinen Demokratien zögert er, so ist zu hören.

Auch den Balkan-Trip bringt er lieber in Rekordzeit hinter sich, dank kleinem Privatjet zwei Länder in 14 Stunden, spätabends wieder daheim. Wer ihm zuhört, erkennt die Präferenzen genau: Vor Ort redet er am liebsten über Super-Super-Bayern, die Hightech-Agenda, die Nr. 1 in Deutschland. Im Oktober ist Landtagswahl.

Was bleibt hängen vor Ort? Wird wirklich neue Freundschaft wachsen, die neuen Regierungskommissionen mit Leben erfüllen, oder reicht die schnelle Schlagzeile? Am Shtraus-Platz immerhin gibt Söder kurz vor der Weiterfahrt ein kleines Versprechen: Die Staatsregierung wolle, wenn gewünscht, ein neues, schöneres FJS-Straßenschild bezahlen.

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