München – Der aktuelle Abteilungsleiter für Schienen- und Luftverkehr im Verkehrsministerium ist am Schlamassel offenkundig schuldlos. Er ist erst seit einigen Monaten befördert, kümmerte sich früher als Referatsleiter um den Straßenbau. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) hat ihn nun ins Zentrum des Debakels befördert: Alexander Bonfig, so heißt der Beamte, soll den Abgeordneten im sogenannte Unterausschuss „Zukunft Stammstrecke“ erklären, was die Lehre aus der Vergangenheit ist – wie es also künftig besser werden soll.
Der Unterausschuss ist extra eingerichtet worden, um den Bau künftig eng zu begleiten. Elf Abgeordnete unter Vorsitz des CSU-Abgeordneten Jürgen Baumgärtner wollen künftig regelmäßige Infos von Bahn und Ministerium. Sie wollen Bauingenieure befragen, Licht ins Dunkel verschiedener Expertenzirkel bringen, die bisher offenbar eher nebeneinander her statt miteinander berieten – und das offenbar in einem inflationären Ausmaß. Auch die Stammstrecken-Baustelle wollen die Abgeordneten demnächst besichtigen, kündigt Baumgärtner an. Erstaunlich: Obwohl der Freistaat mit aktuell 3,8 Milliarden Euro der Hauptgeldgeber für die zweite Röhre ist und der Landtag mit Beschlüssen das Geld freigibt, haben die Abgeordneten noch nie geschlossen Bayerns größte Baustelle besucht.
Über sieben statt 3,8 Milliarden Euro soll die zweite Röhre kosten, sie wird zudem nicht 2028, sondern erst Mitte der 2030er-Jahre fertig – so viel ist bekannt. Nur: Wer ist schuld daran? Die Sicht des Ministeriums kommt durch den Vortrag klar zum Vorschein: Die Deutsche Bahn trage als Bauherr die Hauptverantwortung. Und beim Informationsfluss an den Freistaat sei wohl einiges schiefgelaufen. „In der Vergangenheit“, sagt der Beamte, „war die Zusammenarbeit der Deutschen Bahn eher zäh, das muss man so sagen.“ Und er hoffe, dass da jetzt „ein anderer Wind weht“. Regelmäßige Informationen durch die DB sollten jetzt „vertraglich“ festgeschrieben werden. Auch habe es DB-intern geknirscht – von „Umstimmigkeit“ zwischen den Bahntöchtern DB Netz und DB Station & Service ist die Rede. Jetzt indes habe „DB Netz den Hut auf“, berichtet Bonfig.
Der SPD-Abgeordneten Natascha Kohnen ist das zu einseitig: „Die Diktion, der Bahn alles in die Schuhe zu schieben, gefällt mir nicht.“ Auch der Münchner CSU-Abgeordnete und ehemalige Münchner Bürgermeister Josef Schmid wundert sich, dass die Bahn in der Vergangenheit diverse Umplanungen vornahm, aber stets beteuerte, das erfolge „kostenneutral“ – und das Ministerium zumindest in der Öffentlichkeit nie widersprochen habe. „Dass das Zeit und Geld kostet, war jedem klar.“
Doch die Fehler der Vergangenheit aufklären soll im Landtag eigentlich ein zweites Gremium: der Untersuchungsausschuss 2. Stammstrecke will Anfang März mit Zeugenvernehmungen beginnen. Am Ende wird – so viel ist sicher – auch Markus Söder öffentlichkeitswirksam vorgeladen.
Der Unterausschuss gestern hört nach den Ausführungen des Beamten aus dem Verkehrsministerium noch Erklärungen eines Bauingenieurs, der im Auftrag des Ministeriums bisher die Gesamtkoordination bei der sogenannten Baubegleitung hatte. Gleich drei Baubüros -– darunter sein eigenes – für jeden der drei Stammstrecken-Bauabschnitte arbeiteten zu. Daneben gab es aber noch einen Lenkungskreis und DB-interne Expertengremien.
Ob die ganzen Kontroll-Zuständigkeiten neu geordnet werden, wird am Dienstag nicht deutlich. Der Abgeordnete Martin Runge (Grüne) erinnert daran, dass früher eine gemeinsame Projektgemeinschaft Bahn/Freistaat für den Tunnelbau angedacht worden sei. Dann hätte der Staat von Anfang an mehr Mitsprache gehabt, sagt Runge. Wenn sich hingegen ein Lenkungskreis nur zwei Mal im Jahr treffe, „dann kann das nichts werden“.