Pistorius geht in die Offensive

von Redaktion

VON ANSGAR HAASE

Brüssel – Kann der neue deutsche Verteidigungsminister im Kreis der Nato-Partner verloren gegangenes Vertrauen in die Bundesregierung wiederherstellen? Vielleicht sogar dafür sorgen, dass Deutschland den Ruf des Zauderers bei der Unterstützung der Ukraine verliert? Boris Pistorius tat bei seinem ersten Treffen mit Nato-Kollegen gestern viel dafür, sich von seiner Vorgängerin Christine Lambrecht abzusetzen.

Ungewöhnlich lange 13 Minuten nahm sich der SPD-Politiker bereits zum Auftakt des Treffens in der Brüsseler Bündniszentrale Zeit, um neue Ankündigungen zu machen und kritische Fragen zu beantworten. Wer ein explizites Nein zu Kampfjet-Lieferungen erwartet hatte, wurde enttäuscht – ebenso gab es wenig diplomatische Rücksicht auf schwierige Partner wie Polen.

Er habe „wenig Verständnis“ für Länder, die zuletzt bei Panzerlieferungen Druck auf Deutschland gemacht hätten, nun aber selbst Lieferprobleme haben, sagte Pistorius vor Beratungen der internationalen Kontaktgruppe für Waffenlieferungen an die Ukraine, die dem eigentlichen Nato-Treffen vorgelagert waren.

Er äußerte sich enttäuscht darüber, dass etliche andere europäische Länder offensichtlich nicht mal beabsichtigen, schnell Lieferzusagen zu machen. Bislang haben neben Deutschland nur Portugal, Norwegen und Polen konkrete Zusagen gemacht, wobei es bei Panzern aus Polen laut Pistorius möglicherweise Probleme hinsichtlich des Zustands und der Einsatzfähigkeit gibt. Die Lage sei „nicht ganz so berauschend – um es vorsichtig zu formulieren“.

Dass Deutschland sich bislang beim Thema Kampfjets zurückhält, erklärte Pistorius damit, dass für die Ukraine derzeit andere Dinge weitaus wichtiger seien. „Ich glaube, dass alle verstanden haben, dass die Frage der Luftverteidigung und die Frage der Munitionsnachbeschaffung viel wichtiger sind im Augenblick als die Diskussion über Kampfjets“, sagte er, ohne eine deutsche Zustimmung oder Beteiligung an möglichen zukünftigen Lieferungen auszuschließen. Alle wüssten, dass allein die Ausbildung zum Fliegen mehrere Monate dauere – ganz abgesehen von der Vermittlung der Fähigkeiten, die es brauche, um die Waffensysteme auch zum Einsatz zu bringen.

Aus Deutschland mitgebracht hatte er die Ankündigung, dass die Bundesregierung für die Ukraine neue Munition für die Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard bestellt hat. Die Verträge mit den Herstellern seien unterschrieben. Laut „SZ“ soll es um insgesamt 300 000 Schuss gehen. Für die Ukraine gehe es derzeit darum, den Luftraum nicht an die russische Luftwaffe zu verlieren und nicht noch mehr Bombardierungen und Angriffe auf kritische Infrastruktur hinnehmen zu müssen. „Wir erleben heute, dass die Offensiven der Russen zunehmen, Russland will die Initiative zurückgewinnen im Donbass.“

Die Frage ist allerdings, ob die neue Unterstützung rechtzeitig kommt. Pistorius wies darauf hin, dass US-Generalstabschef Mark Milley Munitionsnachschub für die Ukraine bereits im Herbst als Herausforderung schlechthin für die nächsten sechs Monate beschrieben hatte. „Das hat zunächst nicht Widerhall gefunden.“ Jetzt nehme das Thema Fahrt auf. „Hoffentlich nicht zu spät“, ergänzte er. Vom Hersteller Rheinmetall hatte es im Dezember geheißen, die Fertigung in der neuen Fabrik im niedersächsischen Unterlüß werde erst im Juni beginnen. Die 300 000 Schuss Munition sollen wohl ab Juli geliefert werden.

Ganz ohne Widerspruch blieben die Äußerungen von Pistorius nicht. So machte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren in Brüssel deutlich, dass Deutschland aus niederländischer Sicht auch diejenigen 18 Leopard-2-Panzer in die Ukraine schicken könnte, die ihr Land derzeit von der Bundesrepublik least. Zudem hieß es aus Bündniskreisen, dass auch die Lieferung von Kampfjets nun bereits in größerer Runde besprochen werde. Ollongren hatte zuvor gesagt, die Niederlande nähmen eine Anfrage der Ukraine nach Jets vom Typ F-16 aus US-Produktion sehr ernst.

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