Berlin/München – Das Zwei-Prozent-Ziel wackelt. Aber diesmal anders. Führende Politiker von Union und SPD fordern, das bisher nicht erreichte Ziel der deutschen Verteidigungsausgaben weiter nach oben zu korrigieren. „Sich allein dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen der Nato in Brüssel.
Das offizielle Ziel sieht vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Die deutsche Zahl: ungefähr 1,44 Prozent. Auf zwei Prozent zu gehen, würde für die Bundesrepublik Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe bedeuten. Pistorius deutete in Brüssel an, dass die Ampel-Koalition intern gerade darüber rede und der Kanzler seine Haltung teile. Auch mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondertopf ist das Ziel nämlich nicht gesichert, es wird lediglich bis 2025 erreicht. Zum Vergleich: Die USA sind als Spitzenreiter in der Nato bei 3,47 Prozent. Über zwei liegen die Briten sowie Griechenland, Polen, die baltischen Staaten, Kroatien und die Slowakei. Das neue Ziel soll im Juli für die Nato festgelegt werden.
Auch die Union fordert mehr Geld für Ausrüstung. Bei einem Truppenbesuch im Baltikum sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Zeitung, das Ziel sei „angesichts der aktuellen Lage nicht mehr ambitioniert genug“. Es müsse „ab sofort, wie vom Bundeskanzler zugesagt, eingehalten werden. Außerdem braucht es jetzt das klare Bekenntnis aus Deutschland zur Weiterentwicklung des Nato-Ziels in Richtung 2,5 Prozent“. Der Auftrag in der Verteidigung sei klar: „Beschaffen, beschleunigen, beschützen.“
Dobrindt war bis gestern in Litauen und Lettland, um die Allianz mit den baltischen Staaten zu bekräftigen. Er traf die Regierungsspitzen der Länder und besuchte die 800 deutschen Soldaten, die in einer Nato-Mission in Rukla stationiert sind. Die Bundeswehr hat in Litauen die Führung einer multinationalen Kampftruppe mit Norwegern, Niederländern, Tschechen und Belgiern übernommen. „Das Baltikum markiert spätestens mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine klare Außengrenze der freien Welt und des Friedensprojektes Europa“, sagte Dobrindt. Man müsse die baltischen Staaten maximal unterstützen. Es gehe darum, „Putin abzuschrecken, in Richtung Nato und Europa weiter zu provozieren und zu eskalieren“.
Die Koalition und Scholz müssten „zeigen, dass das Zeitenwende-Versprechen auch eine handfeste Sicherheitsgarantie bedeutet“. Dass ein Jahr nach dem Beginn des Kriegs noch nicht mehr Geld in die Bundeswehr investiert sei und nicht deutlich mehr Soldaten im Baltikum stationiert seien, nannte Dobrindt „inakzeptabel“. (mit afp) CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER