Giftiger Briefwechsel unter Partnern

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – An formaler Höflichkeit lassen es die Briefeschreiber nicht fehlen. Robert Habeck und Christian Lindner richten ihre wechselseitigen Anliegen an den „sehr geehrten Herrn Kollegen“, man verabschiedet sich mit freundlichen Grüßen, aber das war es dann auch an netten Worten. Wieder knirscht es in der Ampelkoalition, erneut sind es Grüne und FDP, die sich verhakt haben. Und dass der jüngste Disput umgehend den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat, dürfte nicht zu einer raschen Deeskalation beitragen.

In einem Brief vom Dienstag bittet Wirtschaftsminister Habeck seinen Kollegen aus dem Finanzressort darum, bei der aktuell laufenden Aufstellung des Haushalts für 2024 „keine weiteren öffentlichen oder internen Vorfestlegungen zu treffen, die einseitig weitere Ausgaben priorisieren“. Konkret nennt er Aktienrente, Bundeswehr und die Umsatzsteuerermäßigung in der Gastronomie. Indirekt thematisiert er auch die Einhaltung der Schuldenbremse, für die man „neue und alternative Wege“ finden müsse. Habeck schlägt vor, darüber zu beraten, „wie wir Einnahmen verbessern“. Da es aus Lindners Ressort noch keine Vorschläge gäbe, könne er die Eckwerte für den Haushalt „so auch nicht akzeptieren“.

Lindner antwortet prompt, ebenfalls schriftlich, ebenfalls gereizt. Mit Verwunderung reagiert er auf die Ankündigung zu den Eckwerten und verweist auf Absprachen im Kabinett. Die Anregung, Einnahmen zu verbessern, deutet er als Ruf nach Steuererhöhungen. Diese seien „vom Koalitionsvertrag ausgeschlossen“. Mit Süffisanz reagiert der FDP-Chef auf die Bemerkung zur Schuldenbremse. Er nehme „mit Erleichterung“ auf, „dass die grün geführten Ministerien das Grundgesetz nicht in Frage stellen“.

Gut klingt das alles nicht. Das hat nur zum Teil damit zu tun, dass die Haushaltsaufstellung, bei der alle Ministerien ihre Wünsche anmelden, immer eine Zeit der Kontroversen einläutet. Die eine Seite will möglichst viel haben, die andere möglichst wenig rausrücken. „Dieses Jahr ist die Gangart etwas härter, weil es keine zusätzlichen Einnahmen zu verteilen gibt“, sagt ein Koalitionär.

Die Ansprüche sind dennoch groß. Laut „Handelsblatt“ summiert sich der Mehrbedarf der Ressorts auf 70 Milliarden Euro. „Absolut unerfüllbar“, findet das Finanzministerium. Zuletzt forderte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bis zu zehn Milliarden Euro zusätzlich. Die Grünen fürchten, dass Projekte, die ihnen wichtig sind, zu kurz kommen.

Der Streit fällt in eine Phase, in der sich das ohnehin raue Klima in der Ampel weiter verschärft. Nach dem Wahldebakel in Berlin gibt es in der FDP Rufe nach einem kantigeren Kurs, den vor allem die Grünen zu spüren bekommen könnten. Mit denen liegen die Liberalen bereits seit Wochen wegen der Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben über Kreuz.

Bis Anfang März will die Bundesregierung die Verhandlungen über die Eckwerte abgeschlossen haben, knapp zwei Wochen später soll das Kabinett darüber entscheiden. Der Weg dorthin dürfte noch holprig werden. Man sei halt keine „Friede-Freude-Eierkuchen-Koalition“, heißt es aus der Ampel, das sei auch kein Problem, solange die Differenzen nicht eine Einigung verhinderten: „Auf dem Weg zu einer Entscheidung muss man auch seine Positionen markieren, am Ende muss es dann trotzdem eine Verständigung geben.“

Christian Lindner versucht derweil weiter, seinen Haushalt mit den Forderungen der Ressorts abzugleichen. Gestern meldete das Portal „Business Insider“, dass er die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung blockiert. Ein Herzensprojekt der Grünen.

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