München/Berlin – Neulich, es war zu seinem 60. Geburtstag, haben die Mitarbeiter im Bundesgesundheitsministerium zusammengelegt und Karl Lauterbach eine blau strahlende Tischtennisplatte geschenkt. Sie wussten ja, dass ihr Chef ein großer Fan dieses Sports ist. Es gibt sogar Bilder von ihm, wie er während der Pandemie mit Maske den Schläger schwingt. Lauterbach dürfte sich also durchaus über das Geschenk gefreut haben. Doch via Twitter machte er auch umgehend klar, dass in seinem rund 1000 Mitarbeiter starken Ministerium leider niemand die Zeit finden werde, die neue Platte für eine entspannte Partie zu nutzen.
Es geht rund unter dem SPD-Gesundheitsminister Lauterbach. Schon dessen Vorgänger Jens Spahn (CDU) hatten Kritiker vorgeworfen, er überfordere sein Haus, das Gesundheitswesen, die Opposition und die Länder mit einer Flut an neuen Gesetzen. Doch wenn unter Spahn mit heißer Nadel gestrickt wurde, dann glüht diese Nadel nun. Rund 40 Gesetze brachte Lauterbach allein in seinem ersten Jahr auf den Weg – eine extreme Schlagzahl.
Doch abgesehen davon, dass sich bei einem solchen Tempo immer wieder Fehler einschleichen, stellt sich die Frage, wie sich all die Vorhaben des Ministers finanzieren lassen. Für eine Pflegereform braucht er Milliardenzuschüsse vom Finanzminister. Allein für die kurzfristige Stabilisierung im laufenden Jahr werden da laut Kassen schon mindestens 4,5 Milliarden Euro fällig. Für die angedachte Krankenhausreform setzen Kassenchefs und manche Experten sogar Kosten von rund 100 Milliarden Euro für Bund und Länder an. Dabei klafft in den Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin schon ein großes Loch. Für das laufende Jahr wird ein Defizit von 17 Milliarden Euro erwartet – Tendenz deutlich steigend.
Lauterbach hofft deshalb auf mehr Steuergeld für sein Ressort – natürlich zusätzlich zu dem, was der Bund ohnehin jährlich in den Gesundheitsfonds einzahlt. Rund 30 Milliarden Euro waren das im Jahr 2022. Er sei bereits in Verhandlungen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), sagte Lauterbach dem „Handelsblatt“. „Vielleicht gelingt es ja, dass sich der Bund stärker an den Kosten für Bürgergeld-Empfänger beteiligt, die den Krankenkassen entstehen.“ Ein altes Streitthema. Bislang zahlt Berlin dafür nämlich nur einen vergleichsweise kleinen Betrag – und damit rund zehn Milliarden Euro jährlich zu wenig, klagen die Kassen. Und selbst wenn sich das noch ändern würde, wären die gigantischen Gesundheitskosten allein damit nicht zu decken.
Doch auf der anderen Seite wirkt Lindner – in seiner Partei auch als „Schutzpatron der Steuerzahler“ gepriesen – nicht sonderlich gewillt, Lauterbachs Wünsche zu erfüllen. Zumal für die Ertüchtigung der Bundeswehr, die Aktienrente oder die Pläne für eine Kindergrundsicherung ohnehin schon viele teure Anliegen aus der Ampel-Koalition an ihn herangetragen werden (siehe Kästen unten). „Alle fordern nur Geld“, klagte der Finanzminister jüngst. Aber man könne den Kindern doch nicht nur offene Kredite hinterlassen. Lindner drängt auf die Einhaltung der Schuldenbremse.
Lauterbach hält die Schätzungen über seinen Finanzbedarf zwar für zu hoch angesetzt. Dennoch führt auch für ihn kein Weg vorbei an deutlich steigenden Belastungen für die Beitragszahler bei der Kranken- und Pflegeversicherung, wenn es kein frisches Geld vom Bund gibt. Denn weder seien Honorarkürzungen für Ärzte und Zahnärzte durchsetzbar, noch ließen sich weitere Einschnitte für die Pharmafirmen vertreten, die die Bundesregierung unbedingt im Land halten will. Eine Erhöhung bei der Pflegeversicherung hat Lauterbach schon auf den Weg gebracht. Auch bei den Krankenkassen sehe er „ohne Bundeszuschuss im Moment keine Alternative“, sagt der Minister.
Wer weiß, vielleicht ließe sich Lindner ja zu einer Partie Tischtennis um einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag überreden. Im Gesundheitsministerium steht ja jetzt eine Platte.