Scholz beginnt seinen heiklen Besuch in Indien

von Redaktion

Russland-Nähe, Zollschranken, Bürokratie: Der Kanzler muss unangenehme Themen ansprechen

Neu Delhi – Mal wieder verbringt der Kanzler das halbe Wochenende im Flugzeug. Und es wird keine einfache Reise. Am Samstagvormittag will Olaf Scholz (SPD) erstmals in Indien landen. Die Bundesregierung sieht das 1,4-Milliarden-Land als strategischen Partner und als große Chance für das Engagement deutscher Unternehmen, eine große Wirtschaftsdelegation ist an Bord des Airbus. Doch politisch sind die Beziehungen nicht einfach: Die Inder suchen auffällig die Nähe zu Russland. Weil sie abhängiger sind als Europa.

Scholz wird in Neu Delhi Premierminister Narendra Modi treffen. Beide kennen sich von einer Reihe von Begegnungen aus 2022: Modi war im Mai in Berlin zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen und wurde von Scholz als Gast zum G7-Gipfel im Juni geladen. Da gab es auch einen Auftritt in der Residenz in München, wo Modi Ministerpräsident Markus Söder (CSU) traf, den er ebenfalls nach Indien einlud; Termin offen.

So freundlich und nahbar Modi wirken mag – die Gespräche werden heikel. Indien hat den russischen Überfall auf die Ukraine, die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung bisher nie verurteilt. Nicht im März 2022 in der UN-Vollversammlung, nicht am Donnerstag bei der Resolution, mit der die Welt einen russischen Truppenabzug forderte. Indien enthielt sich.

Scholz wird da nicht viel ausrichten. Es gehe darum, „dass wir immer wieder für unseren Standpunkt, unsere Sichtweise auf diesen Konflikt werben müssen“, sagt Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Ziel sei es, mit Argumenten Narrative der russischen Seite zu entkräften.

Ein Grund für Indiens Kurs dürfte die hohe Abhängigkeit der noch stark von fossilen Energieträgern geprägten indischen Wirtschaft von russischen Öllieferungen sein. Zudem hänge das Land „zum großen Teil von russischer Waffenproduktion ab“, sagt ein deutscher Regierungsvertreter. „Dass das so bliebt, kann nicht in unserem Interesse sein.“ Abschlüsse mit deutschen Rüstungsfirmen seien für die Scholz-Reise aber noch nicht geplant.

1800 deutsche Unternehmen sind bereits in Indien tätig. Bei der Wirtschaftszusammenarbeit gebe es aber noch ein „riesiges Potenzial“, heißt es in Berlin. Dies gelte auch für Indiens Ausbau der erneuerbaren Energie.

Begleitet von einem Dutzend Unternehmensvertretern reist Scholz am Sonntag auch ins südindische Bangalore. Dort steht neben dem Besuch der Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP auch die Firma Sun Mobility auf dem Programm. Sie stellt austauschbare Batterien für Elektro-Kleintransporter her, Bosch ist mit 26 Prozent beteiligt.

Die deutsche Wirtschaft sieht jedoch große Investitionshemmnisse in Indien. In einer Umfrage der Auslandshandelskammer Indien antworteten laut „FAZ“ fast 70 Prozent der Unternehmen, sie wollten derzeit nicht in der fünftgrößten Volkswirtschaft der Erde investieren. Als Probleme sehen deutsche Firmen Zollschranken, andere Handelshemmnisse und Bürokratie.  afp/cd

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