Paris/Ouagadougou – Für Frankreich ist der hastige Abzug seiner Anti-Terror-Truppen aus Burkina Faso ein weiteres Kapitel in einem frustrierenden Rückzugsgefecht. Denn nach dem Abzug der rund 400 Soldaten der „Taskforce Säbel“ wird Russland seinen Einfluss in der Region ausdehnen – mit Söldnertruppen, aber auch politisch und wirtschaftlich.
Genauso lief es im vergangenen Jahr, als die ehemalige Kolonialmacht aus Mali verdrängt wurde, das ebenfalls die Nähe zu Russland sucht. Längst ist in Paris von einem hybriden „Krieg der Narrative“ die Rede, bei dem Russland mit Desinformation zur Diskreditierung Frankreichs bis hin zu antifranzösischen Protesten beiträgt.
Jahrelang war Frankreich eine wichtige Kraft im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen in der Sahelzone, die besonders Mali und Burkina Faso zu schaffen machen. Fehlende Erfolge und Strategiefehler hätten das Ansehen der Franzosen geschwächt, sagte Yvan Guichaoua von der Brussels School of International Studies der Zeitung „Libération“. Die Menschen glaubten nicht mehr, dass die französischen Truppen ihnen die Islamisten vom Hals schaffen, sondern brächten deren ständige Attacken mit der Präsenz französischer Soldaten in Zusammenhang.
Wie in Mali dürfte Russland auch in Burkina Faso der Gewinner sein, sagt Ulf Laessing, Sahelexperte der Konrad-Adenauer-Stiftung. Russland habe den schwindenden französischen Einfluss geschickt genutzt, den Militärjuntas in Westafrika militärische Hilfe angeboten und antifranzösische Propaganda verbreitet, erläutert auch Guichaoua.
Es ist nach Mali und der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) der dritte Abzug der französischen Armee in Afrika. In Mali und der ZAR sind nun russische Wagner-Söldner aktiv. Politische Analysten fürchten erhebliche geopolitische Auswirkungen auf die Region. Frankreich ist in Westafrika weiter im Senegal, der Elfenbeinküste, dem Niger und Tschad stationiert. Der Generalstabschef der französischen Streitkräfte, Thierry Burkhard, bezeichnete die russische Söldnergruppe Wagner jüngst als wichtigen Faktor für die Destabilisierung in Afrika.
Anfang Dezember war Burkina Fasos Premier Apollinaire Kyélem de Tambèla „privat“ nach Moskau gereist. Im Januar erwiderten russische Diplomaten den Besuch in Ouagadougou. Es soll um die Stärkung militärischer Zusammenarbeit gegangen sein. Kurz darauf erklärte Burkina Faso, die Militär-Partnerschaft mit Frankreich zu beenden.
Die Militärmachthaber Burkina Fasos haben sich laut Laessing bewusst der anti-französischen Stimmungen bedient, die von russischen Trollen in den sozialen Medien angefacht wurden. In den Straßen Ouagadougous wehten russische Flaggen. Viele Burkiner machen Frankreich für den Vormarsch der Dschihadisten verantwortlich. Von Russland seien Gerüchte verbreitet worden, Frankreich habe die Terroristen mit Waffen beliefert, sagt Laessing.
Aufgepeitscht von pro-russischen „Influencern“ seien französische Einrichtungen wie die Botschaft oder Kulturinstitute angegriffen worden, sagt Laessing. Nationale Sicherheitskräfte hätten tatenlos zugesehen. Der französische Botschafter und die UN-Vertreterin wurden ausgewiesen. Dem französischen Sender RFI wurde ein Sendeverbot erteilt. „Burkina Fasos Militärjunta hat den Abzug der Franzosen so regelrecht erzwungen“, sagt Laessing.
Die auf Frankreich fokussierten antiwestlichen Ressentiments in Afrika würden auch durch die neue Konfrontation zwischen dem Westen und Russland angesichts des Ukraine-Krieges angefacht, erklärte Experte Jean-Marc Gravellini vom Institut für Internationale und Strategische Beziehungen in Paris. Wie im Kalten Krieg verlagere sich die Konfrontation auch nach Afrika. Russland sieht Afrika nach Angaben des Instituts für Sicherheitsstudien als Instrument gegen den Westen. Moskau versuche, sich an die Spitze der antikolonialen Bewegung zu setzen – und ist mit Burkina Faso einen Schritt vorangekommen.