Berlin – Manche können einfach nicht loslassen – und zuletzt schien es so, als gehöre Franziska Giffey auch dazu. In einem Interview mit „Zeit Online“ erzählte sie vor einigen Tagen, dass ihr derzeit viel Hass entgegenschlage, weil sie nach der verpatzten Berlin-Wahl keine Konsequenzen zog und es wage, weiter mit ihren beiden Koalitionspartnern zu sprechen. Sie klebe aber nicht an ihrem Amt, sagte sie und schob noch hinterher: „Wirklich nicht.“
Es könnte sein, dass das nicht nur so dahergesagt war. Heute will Berlins Regierende Bürgermeisterin dem SPD-Landesvorstand vorschlagen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Aber nicht mit Grünen und Linken, sondern mit der CDU. Das berichten mehrere Medien, darunter die „FAZ“ und die „Bild“ am Dienstagabend – ohne Angaben von Quellen. Käme es so, wäre Giffey ihr Amt los.
Die noch regierende rot-grün-rote Koalition hätte zwar weiterhin eine Mehrheit. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr aus SPD-Kreisen aber, dass die Tendenz in Richtung Schwarz-Rot gehe. Dem Vernehmen nach tendiert auch die SPD-Fraktion in diese Richtung. „Tagesspiegel“ und „Bild“ berichteten, dass die SPD-Landesspitze die Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken über ihre Absichten informiert habe.
Die CDU hatte die Wiederholungswahl am 12. Februar klar mit 28,2 Prozent gewonnen. SPD und Grüne bekamen beide 18,4 Prozent. Die Sozialdemokraten haben mit 53 Stimmen nur einen hauchdünnen Vorsprung. Sie schnitten so schlecht ab wie noch nie bei einer Abgeordnetenhauswahl. Die Linke kam auf 12,2 Prozent, die AfD auf 9,1. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus dem Parlament, das nur noch fünf Fraktionen hat.
Sollten CDU und SPD Koalitionsverhandlungen aufnehmen und diese erfolgreich verlaufen, stünde in der seit 2016 rot-grün-rot regierten Hauptstadt ein Machtwechsel an. Neuer Regierender Bürgermeister würde dann der CDU-Spitzenkandidat und -Landeschef Kai Wegner. Einen Regierungschef in Berlin stellten die CDU zuletzt mit Eberhard Diepgen (1984 bis 1989 und 1991 bis 2001). Giffey könnte bei Schwarz-Rot allerdings Senatorin werden.
Unterdessen will die Linke weiter mit SPD und Grünen koalieren. Der Landesvorstand beschloss am Dienstagabend, einem für Freitag geplanten Parteitag die Aufnahme von Verhandlungen mit den bisherigen Partnern vorzuschlagen. „In den Sondierungen haben wir durchaus den Eindruck gewonnen, mit #RGR die offenen Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag bis 2026 genauso abarbeiten wie uns um das Funktionieren der Stadt, mit progressiven Mehrheiten, kümmern zu können“, twitterte Linke-Spitzenkandidat und Kultursenator Klaus Lederer.
Seit 17. Februar hatten die Parteien in Sondierungsgesprächen ausgelotet, ob es eine gemeinsame Basis für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gibt. Die CDU sprach je dreimal mit SPD und Grünen. SPD, Grüne und Linke kamen ebenfalls dreimal zusammen. Zunächst hieß es, die CDU tendiere zu Schwarz-Grün. In den Gesprächen sollen aber zu viele Uneinigkeiten bestanden haben. dpa/mmä