München – Einen solchen Vorgang erlebt man im Landtag eher selten: Da wollen die Mitglieder des zuständigen Untersuchungsausschusses die Rechtsterroristin Beate Zschäpe persönlich zu den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) befragen – aber die Landtagspräsidentin und der Landtagsdirektor reden den Abgeordneten in der Sitzung des Ältestenrats noch einmal tief ins Gewissen. Steht der Erkenntniswert wirklich im Verhältnis zum Aufwand? Die Meinungen dazu scheinen quer durch die Fraktionen auseinanderzugehen.
Darum geht es: Schon Ende Januar hatte der Ausschuss einstimmig beschlossen, Zschäpe als Zeugin zu laden. Vor Gericht hatte die Komplizin von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwar nur äußerst sparsam zur Aufklärung beigetragen. Sie beharrte darauf, von den Morden und Anschlägen erst im Nachhinein erfahren zu haben. „Aber Frau Zschäpe hat nun die Chance, den Angehörigen wenigstens die quälenden Fragen zu nehmen, indem sie Antworten gibt“, hatte der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl (Grüne) im Januar erklärt. Große Schlagzeilen wären dem Ausschuss, dem bislang eher wenig öffentliche Wahrnehmung zuteil wird, sicher gewesen.
Seitdem aber laufen intern die Diskussionen, wie viel Aufwand verhältnismäßig ist. Der 48-Jährigen wurde zwar in München der Prozess gemacht, ihre Haft verbüßt sie jedoch in der JVA Chemnitz. Für eine Befragung wäre also ein Hochsicherheitstransport nach München fällig. Ein Erscheinen im Parlament gilt aus Sicherheitsgründen aber als ausgeschlossen – man müsste vermutlich nach Stadelheim ausweichen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, die Kosten könnten in die Hunderttausende gehen. Dass sich Zschäpe aber kooperativer zeige als vor Gericht, sei unwahrscheinlich.
In der Sitzung des Ältestenrats Mitte der Woche brachten also Präsidentin Ilse Aigner und Direktor Peter Worm ihre Bedenken vor – und stießen dabei offenbar auf relativ viel Verständnis. Im Untersuchungsausschuss selbst aber sträubten sich vor allem bei CSU, Grünen und FDP noch einige, das Unterfangen aufzugeben.
Inzwischen kommt Bewegung in die Sache: „Die CSU-Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, zum Beispiel im Ältestenrat, sind eindeutig dagegen, Frau Zschäpe nach München bringen zu lassen“, sagt Tobias Reiss, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU. „Ich bin dafür, Frau Zschäpe per Video zu befragen. Alternativ muss der Untersuchungsausschuss nach Chemnitz reisen.“ Der Ausschussvorsitzende Schuberl will Zschäpe dagegen unbedingt persönlich treffen – ob in München oder Chemnitz. Mit der Entscheidung habe man Zeit, die Befragung ist für Juni geplant.
Auch Matthias Fischbach (FDP) will Zschäpe von Angesicht zu Angesicht sehen. Sie sei verurteilt, sagt er. „Sie kann jetzt nicht mehr ohne Weiteres mit Verweis auf den laufenden Prozess die Aussage verweigern.“ Er sei aber zuversichtlich, dass man eine „vernünftige Lösung“ mit einem „vertretbaren Aufwand“ finde. MIKE SCHIER