Alte Feinde nähern sich an

von Redaktion

München – Es ist noch nicht so lange her, da empfand man nur Verachtung füreinander. Dem US-Magazin „The Atlantic“ sagte der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, im Mittleren Osten gebe es ein „Dreieck des Bösen“, bestehend aus der Muslimbruderschaft, Terrorgruppen – und dem Iran. Dessen religiösen Führer Ali Chamenei bedachte er mit einer besonderen Schmähung. Neben ihm, sagte „MBS“, sehe Hitler vergleichsweise gut aus.

Das war 2018 und es war im Grunde nur der drastische Ausdruck einer alten Gewissheit: Die Saudis und der Iran galten als erbitterte Feinde, die verbissen um die Vormacht in der chronisch instabilen Region rangen. Aber Gewissheiten ändern sich.

Sichtbar wurde das vor zwei Wochen, als sich Spitzenvertreter beider Länder gut gelaunt in Peking die Hand gaben. Sie hatten gerade ein von China vermitteltes Abkommen zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet. Bald wollen sich die Außenminister treffen, am Donnerstag telefonierten sie erstmals seit Jahren miteinander. Der saudische König lud zudem Irans Präsidenten zum Staatsbesuch ein. Das Abkommen, schrieb der Nahost-Analyst Guido Steinberg, beende „einen regelrechten regionalen kalten Krieg zwischen den Rivalen“. Vorerst zumindest.

Die Annäherung ist das Ergebnis eines Prozesses. Seit 2016 herrschte Funkstille, ihre Rivalität trugen beide Länder im Jemen aus: Teheran unterstützte die Huthi-Rebellen in dem Bürgerkriegsland, Riad stellte sich dem entgegen. Aber die Auseinandersetzung war und ist kostspielig und führte zu nichts. Als im September 2019 iranische Drohnen zwei saudische Ölanlagen trafen, begann auf saudischer Seite das Umdenken. „Riad hat große Ziele und will wirtschaftlichen Fortschritt“, sagt Sebastian Sons vom Bonner Orient-Institut CARPO. „Es begriff damals, dass die Konfrontation mit dem Iran massiv seinen Interessen schadet.“

Es kam zu ersten Gesprächen unter Vermittlung von Irak und Oman, die ergebnislos blieben. Dass sich das jetzt geändert hat, liegt auch an der aktuellen Schwäche des iranischen Regimes, das wegen der harten Sanktionen des Westens und der Proteste im Land unter Druck steht. Sons spricht von einem „Momentum“ auf Seiten der Saudis. „Das Abkommen ist definitiv auch eine Aufwertung Saudi-Arabiens in der Region.“

Man darf sich nicht vertun: Die Annäherung ist nicht neuer Zuneigung geschuldet, sondern taktischer Natur. Noch ist wenig passiert und die Frage, wie lange die Freundlichkeit hält, steht drängend im Raum. Sons glaubt, dass Peking eine wichtige Rolle spielen kann. „China ist der wichtigste Handelspartner für Saudi-Arabien und den Iran“, sagt er. Es habe damit auch ein Druckmittel zur Disziplinierung in der Hand, sollte eine der beiden Seiten die Vereinbarung brechen.

Peking selbst profitiert von der aktuellen Entwicklung: Weil Ölexporte aus beiden Ländern den Energiehunger stillen. Weil das Großprojekt der neuen Seidenstraße durch die Region führt. Und weil es jetzt einen Vermittlungserfolg vorweisen kann. „China konnte sich als diplomatischer Akteur profilieren“, sagt Sons. „Das war auch ein klares Signal gegen den Westen und vor allem die USA.“

Das schmerzt Washington, auch deshalb, weil es um die Beziehung zu Saudi-Arabien längst nicht mehr so gut steht wie früher. Viel alarmierter ist aber ein anderer Akteur: Israel. Ex-Ministerpräsident Neftali Bennett sprach kurz nach Bekanntwerden des Abkommens von einer „gefährlichen Entwicklung für Israel“. Das Bemühen, eine Koalition gegen Teheran aufzubauen, sei gescheitert. Zuletzt hatte sich Israel um eine Verbesserung der Beziehungen zu Saudi-Arabien bemüht: Militär und Nachrichtendienste arbeiteten zusammen, um Irans Streben nach einer Atombombe zu begegnen. Aus israelischer Sicht macht die neue Annäherung die Dinge komplizierter.

Die Frage, was im nicht unwahrscheinlichen Fall eines israelischen Angriffs auf iranische Atomanlagen passieren würde, ist jedenfalls offen. Nahost-Analyst Steinberg hält das Abkommen auch deshalb für wackelig. Letztlich, schreibt er, dürfte der Schutz durch die USA dann doch wieder wichtiger sein als die neue Freundschaft zum Iran. Auch die Machtambitionen des Kronprinzen „MBS“ sprächen gegen einen Erfolg des Abkommens.

Und doch ist da Hoffnung, vor allem mit Blick auf den Jemen. Das „Wall Street Journal“ schrieb kürzlich, Teheran habe sich bereit erklärt, seine Waffenlieferungen an die dortigen Huthi-Rebellen zu stoppen. Der Krieg, sagt CARPO-Experte Sons, werde dennoch weitergehen, „vor allem deshalb, weil das Land ja schon extrem hochgerüstet ist und es viele Konfliktparteien innerhalb des Jemen“ gebe. Aber es gebe Hoffnung auf eine Deeskalation, auf weniger Gewalt. Dann jedenfalls, wenn das Abkommen zwischen Riad und Teheran hält. VON MARCUS MÄCKLER

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