Nächsten Montag steht Deutschland streikbedingt still. So ärgerlich (die FDP sagt: asozial) das ist, man darf sich zumindest einer Sache relativ sicher sein: Niemand wird Mülltonnen anzünden, öffentliche Gebäude beschädigen oder Einkaufszentren stürmen. Und nein, die Hauptstadt wird auch nicht unter Müllsäcken ersticken. Wer solche Erlebnisse sucht, muss rüber ins Nachbarland fahren. Die Franzosen, stets eskalationsfreudig, drehen gerade frei.
Natürlich hinkt der Vergleich: Hier geht es um einen klassischen Tarifkonflikt, dort um die Abwendung einer Rentenreform, die viele als ungerecht empfinden. Der Frust, der sich seit Wochen hochgeschaukelt hat und längst über die Rentenfrage hinausgeht, ist in Teilen gut nachvollziehbar; nicht zuletzt wegen der Art und Weise, wie die Regierung und Präsident Macron ihr Projekt (legal, aber maximal ungeschickt) am Parlament vorbeischummelten. Trotzdem heiligt der Zweck nicht jedes Mittel. Wer Gewalt wählt, dem kann es kaum um Gerechtigkeit gehen.
Mit dem Verweis darauf, dass Proteste in Frankreich eben radikal ausfallen, ist es nicht getan. Schon die Gelbwesten-Proteste zeigten, dass sich das Verhältnis von Volk und Politik auf ungute Weise verhärtet. Dringend Notwendiges wie die Rentenreform aus Angst vor dem Volkszorn zurückzustellen, ist aber kaum eine Alternative. Macron hat noch vier Jahre. In seiner Haut möchte man nicht stecken.
Marcus.Maeckler@ovb.net