Ein Land im Ausnahmezustand

von Redaktion

Die Proteste in Frankreich werden gewalttätiger – der falsche Zeitpunkt für einen Besuch von König Charles

Paris – In Frankreich ist es bei Protesten gegen die umstrittene Rentenreform zu teils schweren Ausschreitungen in Paris, Bordeaux und anderen Städten mit mehr als 400 verletzten Polizisten gekommen. Insgesamt seien 457 Menschen an dem landesweiten Aktionstag am Donnerstag festgenommen worden, sagte Innenminister Gérald Darmanin.

Zum „Kollateralschaden“ der Auseinandersetzungen um die Rentenreform wurde der geplante Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. in Frankreich: Die königliche Visite wurde verschoben. Es solle möglich sein, Charles unter den Bedingungen zu empfangen, die der freundschaftlichen Beziehung entsprächen, hieß es aus dem Élysée-Palast. Das wäre nächste Woche wohl nicht der Fall gewesen – für kommenden Dienstag haben die Gewerkschaften zu neuen landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Ursprünglich hatte Charles auf seinem ersten Auslandsbesuch als britischer König von Sonntag bis Mittwoch nach Frankreich kommen sollen. Vom 29. März an wird er in Deutschland erwartet.

Die französische Regierung wollte wohl nicht noch zusätzlichen Zorn schüren. Zuvor hatte es bereits scharfe Kritik etwa an dem eigentlich geplanten Staatsbankett im Schloss Versailles gegeben. Der „Monarch der Republik“ empfange den König, während das Volk auf der Straße demonstriere, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Sandrine Rousseau. Auch sonst wäre der Staatsbesuch schwierig geworden. Viele Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich werden gerade bestreikt, darunter die Pariser Stadtreinigung. In den Straßen von Paris türmen sich derzeit Müllberge.

Die Lage in Frankreich hat sich in den vergangenen Tagen immer mehr zugespitzt. Laut Behörden demonstrierten am Donnerstag landesweit knapp 1,09 Millionen Menschen. Die Gewerkschaft CGT sprach von 3,5 Millionen Beteiligten.

Die Proteste richten sich gegen die inzwischen verabschiedete schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Mitte-Regierung unter Präsident Macron. Der Text ist verabschiedet, liegt zur Prüfung aber beim Verfassungsrat. Noch steht nicht fest, wann die Instanz über die Reform entscheidet. Macron will, dass sie bis zum Jahresende in Kraft tritt. Der Streit um die Reform hat die Regierung erheblich geschwächt.

Die Streik- und Protesttage waren wochenlang überwiegend friedlich verlaufen. Doch seit die Regierung die Reform ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung gedrückt hat, kommt es zu immer mehr Gewalt – vor allem bei spontanen Protesten.  afp/dpa

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