München – Die schwärzesten Orte Bayerns, genau hier müssen sie doch liegen: die Staatskanzlei am Franz-Josef-Strauß-Ring! Das Innenministerium, das Bauernministerium, erst recht die CSU-Landesleitung in Schwabing! All diese Münchner Punkte, und noch ein paar Ministerien mehr, haben eine große, überraschende Gemeinsamkeit: Sie liegen mitten in den allergrünsten Stimmkreisen.
Seit 2018 ist das so. Ein dickes grünes Band zieht sich, politisch gesehen, von Nord nach Süd durch die Landeshauptstadt. Bei der Landtagswahl haben die Grünen fünf der neun Stimmkreise direkt geholt, der CSU abgeluchst. Teils haushoch, teils haarscharf. Deshalb wird fast nirgendwo die Landtagswahl am 8. Oktober so spannend wie in der Stadt. Es ist politisch einiges in Bewegung geraten.
Wer Bayern kennt, weiß seit Jahrzehnten: In den Städten, bei viel Fluktuation und einem urbanen Publikum, tut sich die CSU schwer. In München, kommunal seit dem Krieg mit wenigen Pausen SPD-regiert, haben sich bei Landes- und Bundeswahlen die Grünen zum gefährlichsten CSU-Gegner gemausert. Hier kandidieren sie mit ihren Promis. Musterfall: Im Stimmkreis Mitte fuhr Fraktionschef Ludwig Hartmann direkt rund 45 Prozent ein, eines der besten Erststimmen-Ergebnisse, das je ein Grüner irgendwo in Deutschland holte. Der 44-Jährige muss auch 2023 nicht zittern. Allenfalls ist die Frage, ob ihm die FDP-Kandidatin Susanne Seehofer ein paar Prozente abnimmt.
Als sicher gilt auch der Schwabinger Stimmkreis. Da hängt der frühere Bund-Naturschutz-Chef Christian Hierneis mühelos die Ex-Minister Ludwig Spaenle (CSU) und Wolfgang Heubisch (FDP) ab. Auch Milbertshofen gilt bei den Grünen als sicher für Co-Fraktionschefin Katharina Schulze; ebenso Giesing für Gülseren Demirel, auch wenn hier SPD-Chef Florian von Brunn antritt.
Spannender wird es andernorts. Im Südwesten bewirbt sich wieder Münchens CSU-Chef Georg Eisenreich, hier siegte er seit 2003 ununterbrochen. Letztes Mal aber mit unter zwei Pünktchen Vorsprung. Sein Gegenkandidat ist der junge Grüne Florian Siekmann, der sich über die Arbeit in Untersuchungsausschüssen medial zu profilieren versuchte. Für Eisenreich geht es um viel. Der Justizminister muss das Ende seiner Polit-Karriere fürchten, falls er nicht mehr in den Landtag kommt. München stellt mit Eisenreich und Markus Blume derzeit schon zwei Minister, dahinter hegt aber auch Ex-Bürgermeister Josef Schmid Ambitionen. Die Stimmkreise von Schmid und Blume gelten noch als relativ sicher für die CSU.
Plan B für die Gescheiterten wird, über die Liste in den Landtag zu rücken. Sie wird am Samstag für ganz Oberbayern gereiht, Eisenreich hat Top-Platz 2, aber keine Gewissheit, ob am Ende ein Listenplatz zum Zug kommt im komplizierten Wahlrecht.
Richtig eng könnte es in der früheren SPD-Hochburg Moosach werden, wo 2018 ein junger Grüner hauchdünn siegte, der nicht mal dort wohnte. Benjamin Adjej blieb im Landtag aber fünf Jahre unauffällig. Die CSU will mit dem hier verwurzelten Kommunalpolitiker Alexander Dietrich den Stimmkreis zurückholen.
In den 82 Stimmkreisen jenseits von München gibt es wenige Brennpunkte. Einen einzigen davon verlor die CSU 2018 in Würzburg. Auf Erlangen schielen heuer einige Grüne. In der Studentenstadt versucht man, CSU-Schwergewicht Joachim Herrmann, dem Innenminister, sein Direktmandat wegzunehmen. Wobei die Wahl, hoppla, just noch in den Semesterferien liegt. In Freising, wo viele Flughafen-Skeptiker leben und es traditionell eine starke grüne Basis gibt, wird Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) ernst herausgefordert. Ihm könnte diesmal Helmut Markwort (FDP) ein paar Stimmen rauben.
Hochspannung herrscht indes in Landshut. Da werden Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gute Chancen aufs Direktmandat nachgesagt. Er kandidiert erstmals aus dem Amt als Vize-Ministerpräsident, ist viel am Land unterwegs. Ein FW-Direktmandat gab es nie in Deutschland, CSU-Bewerber Helmut Radl-meier gilt nicht als Wucht.
Wo es eng wird, haben beide Parteien früh mit dem Wahlkampf begonnen, sagen Beobachter. Die CSU will in München einheitlicher auftreten, kein quietschbunter Plakatmix wie 2018. Das Diesel-Fahrverbot sieht man als Gewinnerthema. Ob allerdings Markus Söders harter Anti-Grünen-Kurs in der liberalen Großstadt verfängt, muss sich erst noch zeigen.