Freie Wähler wollen mehr von Söders Kuchen

von Redaktion

Hubert Aiwanger erneut Spitzenkandidat – Kaum noch inhaltliche Unterschiede zur CSU

Augsburg – Am Ende seiner Rede ist Hubert Aiwanger so gelöst wie selten. Erst blickt der 52-jährige Chef der Freien Wähler nur zufrieden, dann bricht mehr und mehr ein Lächeln, am Ende gar ein richtiges Lachen aus ihm heraus. Es ist einer der wenigen Momente, in denen der Niederbayer Emotionen zeigt, die über politischen Ärger in einer Rede hinausgehen. Und es scheint, als wäre ihm nach seiner 45-minütigen Parteitagsrede eine tonnenschwere Last von der Seele gefallen.

Die Szene auf dem Parteitag in Augsburg zeigt: Ohne den niederbayerischen Agraringenieur geht bei den Freien Wählern nichts. Und mehr noch: Wurden die Freien Wähler 2018 immer wieder für ihr Wahlziel, mit der CSU zu regieren, belächelt oder gar verspottet, sind sie längst für Ministerpräsident Markus Söder zur unverzichtbaren ersten Wahl gewachsen. Sorgen, vom „Sumoringer CSU“ zerdrückt zu werden, haben nicht mal mehr Pessimisten.

„Es gab ja Phasen, da haben einige gehofft, diese Koalition würde zerbrechen und dann würden endlich, endlich die Grünen reinkommen und die Freien Wähler könnte man für gescheitert erklären, weil sie in der Stunde der Not nicht bereit sind, gewisse Wege mitzugehen“, beschreibt der einstimmig gewählt Spitzenkandidat Aiwanger die am 8. Oktober endende erste Regierungszeit der Partei. Aber die Manöver seien gescheitert. „Nein, wir lassen uns nicht abschütteln.“

Für die Wahl in etwas mehr als sechs Monaten haben sich Aiwanger und Co viel vorgenommen: Sie wollen nicht nur erneut mit der CSU regieren und sich als konservativ-bürgerlichen Gegenentwurf zur Ampel im Bund präsentieren. Vielmehr gärt unter den Freien Wählern die Hoffnung, bei der nächsten Regierung ein größeres Stückchen vom Kuchen der Macht zu bekommen. Aiwanger vermeidet es zwar, eine Prozentzahl als Wahlziel vorzugeben, das übernimmt dafür Kultusminister Michael Piazolo später, als er einmal mehr die 15-Prozent-Marke als realistische Größe bezeichnet. 2018 hatten die FW 11,6 Prozent der Stimmen geholt. In Umfragen liegt man konstant zwischen zehn und elf Prozent.

Um das Ziel nicht zu gefährden, geben sich Aiwangers Leute gegenüber der CSU und Söder so harmonisch, dass es schon auffällt. Während es in der Grundsatzrede Kritik für SPD, Grüne und FDP nur so hagelt, genießt die CSU auch hier einen bisher nie gekannten Schutz.

Zur Erinnerung: Im Wahlkampf 2018 wollten sich Aiwanger und Söder noch gegenseitig auf den Mond schießen. Immer wieder betonte Aiwanger damals, man dürfe Söder – der damals auch noch ein Bündnis mit den Grünen für vorstellbar hielt – das Land nicht alleine anvertrauen. 2023 sind thematische Unterschiede zur CSU kaum auszumachen. Entweder gibt es keine FW-Forderungen mehr, die der CSU widersprechen und bei späteren Koalitionsverhandlungen für Ärger sorgen könnten, oder sie wurden auf den Index gesetzt. Die erneute Absage an eine dritte Startbahn für den Münchner Flughafen ist wohl ebenso konfliktfrei lösbar wie die Forderung für weitere Lockerungen für die Windkraft und die Ablehnung der sogenannten Grundsteuer C.

Doch birgt die zu harmonische und thematische Nähe für die Freien Wähler auch ein Risiko: Am Ende könnten sich die konservativen Wähler fragen, ob sie ihr Kreuz nicht direkt bei der CSU machen sollen. MARCO HADEM

Artikel 1 von 11