Ein König im Herzen der Demokratie

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Am Ende gibt es stehenden Applaus und ein sanftes Tätscheln der Königsgemahlin. Charles III. hat gerade vor dem Deutschen Bundestag gesprochen, mal auf Englisch und mal in jenem feinen Deutsch, das man hier nur noch sehr selten hört. Das Klatschen ist natürlich Pflicht, aber Camillas kleine Geste deutet an: Es lief ganz gut.

Nie zuvor hat ein britischer Monarch im Bundestag gesprochen. Der Auftritt des qua Amt zu strenger Neutralität verpflichteten Königs hat schon deshalb politischen Charakter – für manche ist er sogar ein Politikum. Die Linke etwa tat sich schwer, Parteichef Martin Schirdewan fand es „nicht angemessen, dass sich das höchste demokratische Gremium vor einem Monarchen verneigt“. Einige Linken-Abgeordnete bleiben der Rede sogar fern.

Sie verpassen so etwas wie eine Liebeserklärung. Er sei hier, um „das Versprechen der Freundschaft unserer beiden Länder zu erneuern“, sagt der 74-jährige Monarch. Auf diese Freundschaft sei er stolz. Auch seiner Mutter, der verstorbenen Queen Elisabeth II., habe sie viel bedeutet. Sie habe oft von ihren Deutschland-Besuchen gesprochen.

Im Unterschied zur Queen, die bisweilen recht kühl wirkte, setzt Charles ganz bewusst auf Nähe. Dass er Deutschland verbunden ist, ist bekannt. Seine Rede zeugt davon. Er spricht seine deutsche Abstammung an, die gut 40 Besuche und die persönlichen Beziehungen hierher, die ihm „teuer“ seien. Die „außerordentliche Anteilnahme“ der Deutschen nach dem Tod der Mutter habe ihn berührt.

Das ist kein hohles Bekenntnis, sondern mitunter der Versuch, das Chaos-Königreich zu rehabilitieren. Der Brexit und all die politischen Eskapaden, die ihm folgten, haben im deutsch-britischen Verhältnis Spuren hinterlassen. Charles erwähnt ihn zwar mit keinem Wort, aber auch das kann eine Botschaft sein: Schauen wir lieber auf das Hier und Jetzt.

Er tut das – aus bitterem Anlass. „Die Geißel des Krieges ist zurück in Europa“, sagt er und bescheinigt London wie Berlin, die Führungsrolle bei der Unterstützung der angegriffenen Ukraine zu spielen. „Wir haben entschlossen reagiert und Entscheidungen getroffen, die früher vielleicht unvorstellbar gewesen wären“. Explizit lobt er die deutschen Waffenlieferungen als „überaus mutig, wichtig und willkommen“.

Es herrscht zweifelsohne eine besondere Stimmung. Der Bundestag ist (bis auf einige Plätze bei den Linken) voll. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist da, seine Vorgänger Joachim Gauck und Christian Wulff sitzen oben auf der Tribüne. Auch mehrere Ministerpräsidenten hören zu. Oft ist es andächtig still, dann gibt es wieder lauten Applaus. Charles spricht natürlich sein Herzensthema an, die „existenzielle Herausforderung des Klimawandels“. Auch hier stehe man Seite an Seite mit Berlin.

Ganz so getragen wie das klingt, ist die Rede nicht. Der König versucht es immer mal wieder auch mit Humor. Man habe in den letzten Jahrzehnten viel gelacht, mit- und übereinander. Er hoffe ja, dass „Miss Sophies ‚The same procedure as every year, James‘ kein korrektes Bild des modernen Großbritanniens vermittelt“, sagt er in Anspielung auf den TV-Klassiker „Dinner for one“. Im Saal kommt das ziemlich gut an und man merkt: Eigentlich wird hier viel zu selten gelacht.

In dem, was Charles sagt, steckt keine politische Bombe, nicht mal ein Bömbchen. Das widerspräche der Rolle britischer Könige, die schillern, repräsentieren, werben sollen. Aber seine Botschaft platziert er gut. Berlin und London sollen künftig noch enger sein. Die Geschichte beider Länder habe „noch viele ungeschriebene Kapitel“, sagt er. „Lassen Sie uns diese mit einem unermüdlichen Streben nach einer besseren Zukunft füllen.“

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