Die Rückkehr der GroKo

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Für Franziska Giffey muss sich dieser Auftritt seltsam anfühlen. Noch ist sie ja im Amt, noch steht da die Regierende Bürgermeisterin am Mikrofon, aber trotzdem spielt sie am Montagmorgen nur mehr die erste Nebenrolle. Der Hauptdarsteller heißt Kai Wegner, Giffeys Nachfolger in spe. Er spricht zuerst, übergibt dann das Wort. „Veränderungen sind notwendig“, sagt Giffey ruhig. Sie sei froh über die Entscheidung.

Sieben Wochen nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl steht die Hauptstadt vor einem Umbruch. CDU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, 135 Seiten dick, Titel: „Das Beste für Berlin“. 25 Tage lang habe man verhandelt, sagt Wegner, hier und da gerungen, klar, aber ohne diese „ganz langen Nachtsitzungen“. Alles sei „fair und auf Augenhöhe“ gelaufen. Giffey drückt sich ganz ähnlich aus. Etwas kryptisch sagt sie dann, der Vertrag sei ein „Gesamtwerk, das mehr ist, als wir bisher hatten“.

Damit rückt ein Bündnis näher, an das während des polarisierenden Wahlkampfs die wenigsten gedacht hatten. Eine Große Koalition soll die Hauptstadt, die gefühlt immer kurz vor dem Kollaps steht, endlich auf Kurs bringen. Kernpunkte des Vertrags: zwei Mal fünf Milliarden Euro Sondervermögen für den Klimaschutz, Weiterführung des 29-Euro-Tickets, bessere Ausstattung für Polizei (etwa durch Bodycams) und Feuerwehr, zusätzliche Mittel für Kriminalitätsbekämpfung, mehr Wohnbau. Einer der härtesten Brocken ist die Reform und Digitalisierung der Verwaltung, die vielen Berlinern als dysfunktional gilt.

„Wir wissen alle, dass es nicht den einen großen Hebel gibt, den man umlegt und alles ist prima“, sagt Wegner. Stattdessen habe man viele kleine Hebel gefunden. Berlin sei „die Metropole in Europa mit den größten Chancen“. Insgesamt wolle man die zerrissene Stadt wieder näher zusammenführen. Die Leitlinie: weniger Ideologie, mehr Pragmatismus.

Das gilt für beide Seiten. Wegner, der nach der verkorksten Wahl und den Silvesterkrawallen einen straffen Law-and-Order-Wahlkampf geführt hatte, bekennt sich am Montag auffällig klar zu Vielfalt und nennt den Klimaschutz besonders wichtig. Giffey, die zuletzt selbst ein wenig mit ihrem rot-grün-roten Senat gefremdelt hatte, wirkt geradezu gelöst.

Dass CDU und SPD überhaupt ins Gespräch kamen, ist ja maßgeblich ihr zu verdanken. Zwar hatten die Christdemokraten die Wahl klar gewonnen, eine Fortsetzung des linken Senats war aber rechnerisch möglich. Zunächst sprach Giffey auch mit Grünen und Linken, musste sich darum den Vorwurf gefallen lassen, sie klebe an der Macht. „Hass und Hetze“ hätten sich über ihr ergossen, sagte sie Ende Februar „Zeit Online“. Dass sie sich für Veränderung und gegen den Machterhalt entschied, kam für viele ziemlich überraschend.

Nun ja, so ganz verzichten muss sie wohl nicht, ein Platz im neuen Senat ist der 44-Jährigen sicher. Welcher Posten für sie vorgesehen ist, ist aber noch offen. Sie hätte wohl das Innenressort reizvoll gefunden – in der Partei heißt es aber, sie werde künftig für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen zuständig sein. Dazu passt, dass sie dem Thema am Montag viel Platz einräumt. Giffey kündigt ein „Schneller-Bauen-Gesetz“ und ein Ankaufprogramm für öffentliche Wohnungen an. Finanzsenator soll Berichten zufolge Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers werden. Er und Giffey sollen zudem Stellvertreter Wegners sein.

Offiziell soll die Besetzung der Ministerposten erst in gut drei Wochen bekannt gegeben werden, sofern beide Parteien (die SPD per Mitgliedervotum, die CDU bei einem Parteitag) den Koalitionsvertrag absegnen. Wegner will sich dann am 27. April zum Regierenden Bürgermeister wählen lassen. Der 50-Jährige wäre damit der erste CDU-Politiker im Roten Rathaus seit mehr als 20 Jahren. Bis 2001 regierte der Christdemokrat Eberhard Diepgen die Hauptstadt. Übrigens auch in einer Großen Koalition.

Artikel 1 von 11