Das einsame Leiden nach der Impfung

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Peter K. sagt, er hatte Freudentränen in den Augen, als er vor eineinhalb Jahren die zweite Impfung bekam. „Ich dachte: Jetzt ist der ganze Corona-Mist bald vorbei. Urlaub, Bars – endlich kann ich wieder losziehen.“ Eine Woche später kamen die Schmerzen. „Im Oberschenkel, erst nur wie ein Muskelkater.“ Bald konnte der 45-Jährige nicht mehr länger als einen Kilometer zu Fuß gehen. Wenn er sich anstrengte, war er noch am nächsten Tag völlig erschöpft. Und wenn er ruhig saß, kribbelten und brannten seine Beine oder sie wurden taub. Bis heute sind die Beschwerden größtenteils geblieben.

Was Long Covid ist, wissen die meisten Menschen inzwischen. Das Post-Vac-Syndrom ist hingegen relativ unbekannt. Einige Mediziner bringen das Krankheitsbild mit „Long Covid nach Impfung“ auf den Punkt. Doch eine offizielle wissenschaftliche Definition gibt es nicht. Von Müdigkeit über neurologische Schäden bis zu Herzproblemen kann alles auftreten. Wie häufig das Syndrom nach einer Corona-Impfung tatsächlich vorkommt, lässt sich noch immer schwer abschätzen. Manche Fachleute sehen die Wahrscheinlichkeit bei ungefähr 0,02 Prozent.

Ähnlich wie bei Long Covid steckt die Forschung in den Kinderschuhen, sodass sich Erkenntnisse schnell verändern können. Haus- und Fachärzte können da oft nur schwer Schritt halten. Doch während es für Long-Covid-Patienten zunehmend spezielle Angebote gibt, fühlen sich viele Post-Vac-Betroffene schlecht versorgt. Das Universitätsklinikum Marburg hat deshalb seine Post-Covid-Ambulanz um eine Post-Vac-Ambulanz erweitert. Derzeit stehen dort 7000 Menschen auf der Warteliste. Peter K. ist einer von ihnen.

In Bayern gibt es eine solche Post-Vac-Ambulanz bisher nicht. Auf seiner Internetseite schreibt das Gesundheitsministerium jedoch, in schweren Fällen seien aus Expertensicht auch die bestehenden Long-Covid-Ambulanzen „gute Ansprechpartner für Diagnostik und Therapie für Patienten mit vermutetem Post-Vac-Syndrom“.

Doch die Realität ist offenbar eine andere. Peter K. hat mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich. Er lag in der Neurologie, in der Inneren Medizin und hat nach eigener Aussage 2000 Euro für Blutuntersuchungen ausgegeben. Auch bei besagten Long-Covid-Ambulanzen hat er über ein Jahr immer wieder Hilfe gesucht – und wurde jedes Mal weggeschickt. In Mühldorf scheiterte er an der Empfangsdame, aus München sagte man ihm per Brief ab und in Nürnberg teilte man ihm mit, dass nur Patienten mit psychosomatischen Symptomen aufgenommen würden.

„Es mehren sich Berichte, nach denen die Betroffenen nicht wie vom Gesundheitsministerium versprochen von den Post- bzw. Long-Covid-Ambulanzen aufgenommen, sondern von vorneherein abgelehnt werden“, sagt auch die Landtagsabgeordnete Ruth Waldmann (SPD) unserer Zeitung. Da helfe es nicht viel, dass die Staatsregierung am Montag eine Post-Vac-Telefonhotline geschaltet hat, die allgemeine Informationen und Hinweise zur Versorgung geben soll und in den ersten Tagen bereits überlastet war. Wenn man dort nur erfahre, „wo man nicht behandelt wird“, sei das Angebot „wenig sinnvoll“. Die betroffenen Menschen würden „im Stich gelassen, wenn man einfach die Augen verschließt“, sagt Waldmann.

Auch das Gesundheitsministerium hat mittlerweile offenbar erkannt, dass es hier ein Problem gibt. In der Antwort auf eine Anfrage Waldmanns schreibt das Haus von Minister Klaus Holetschek (CSU), man setze sich „gezielt dafür ein, dass sich die zuständigen Träger, insbesondere die Post-/Long-Covid-Ambulanzen an den Universitätsklinika, vermehrt auch für Post-Vac-Betroffene öffnen“. Doch welche Patienten sie aufnehmen, würden die Kliniken und ihre Träger selbst entscheiden. Im Falle der Uni-Kliniken fällt diese Frage also in das Ressort von Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU). Eine Anfrage unserer Zeitung, ob geplant ist, die Long-Covid-Ambulanzen an den bayerischen Universitätskliniken auch für Post-Vac-Betroffene zu öffnen, ließ dessen Haus jedoch unbeantwortet.

Manchmal habe er das Gefühl, sein Schicksal passe einfach nicht ins Bild, sagt Peter K. Selbst einige Hausärzte wollten Geschichten wie seine bis heute nicht glauben. Wirkliche Hilfe habe er nur in einer Selbsthilfegruppe erhalten – von anderen Betroffenen.

Das zuständige Ministerium

äußert sich nicht

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