Lauterbachs Plan gegen Medikamenten-Mangel

von Redaktion

Kabinett beschließt Gesetz gegen Lieferengpässe – Produktion in Europa soll gestärkt werden

München – „Es fehlt quer durch alle Bereiche an Medikamenten“, erzählt der Ismaninger Apotheker Dr. Peter Aurnhammer. „Die wichtigsten Betablocker, Cholesterinsenker, antiallergische Medikamente, Psychopharmaka. Selbst das Magenmittel Nummer eins, Iberogast, ist seit Monaten nicht mehr lieferbar.“ Am schlimmsten sei die Situation derzeit aber bei den Antibiotika. „Erst haben wir die Mittel zweiter Wahl gegeben, aber jetzt sind wir schon bei der dritten Wahl angelangt“, klagt Aurnhammer.

Die Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln sorgen seit Monaten immer wieder für Schlagzeilen und stellen zahlreiche Menschen mit Gesundheitsbeschwerden vor große Probleme. Um das Problem zu lösen, verabschiedete das Bundeskabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ein Kernpunkt: Der Kostendruck auf die Pharmahersteller soll gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird – etwa durch Abschaffung von Festbeträgen und Rabattverträgen. Die Kosten für die medizinische Versorgung dürften dadurch steigen.

„Auch in der Arzneimittelversorgung haben wir es mit der Ökonomisierung übertrieben“, erklärte Minister Lauterbach nach dem Kabinettsbeschluss. „Das korrigiert die Bundesregierung mit Augenmaß.“ Deutschland solle „wieder attraktiver als Absatzmarkt für generische Arzneimittel“ werden.

Aus den Reihen der Krankenkassen kam umgehend Kritik an Lauterbachs Plänen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) erklärte, höhere Ausgaben schafften nicht zwangsläufig mehr Liefersicherheit. Die Regierung setze indessen „alles auf eine Karte: mehr Geld für die Pharmaindustrie“, kritisierte dessen Vorstandsmitglied Stefanie Stoff-Ahnis. Die Lieferprobleme hätten vielfältige Ursachen.

Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der AOK. Eine Freistellung „ganzer Arzneimittelgruppen“ von Rabattverträgen und Festbeträgen trage ebenso wenig zur Versorgungssicherheit bei wie eine Anhebung von Obergrenzen für Preise, erklärte er. Skeptisch äußerte sich auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Lauterbachs Gesetzentwurf enthalte „inhaltliche Mängel“, Lieferengpässe würden „auf absehbare Zeit“ weiter bestehen bleiben.

Lauterbachs Entwurf sieht im Bereich der von Engpässen betroffenen patentfreien Antibiotika auch eine Stärkung der Produktion in Europa vor. So soll bei Ausschreibungen durch die Kassen künftig zusätzlich auch der günstigste Anbieter zum Zug kommen, der mindestens 50 Prozent der Produktion der entsprechenden Arznei in Europa vornehme. Künftig könnte das System Lauterbach zufolge auch auf Krebsmedikamente ausgedehnt werden. Außerdem sollen Vorräte für wichtige Medikamente für drei Monate angelegt werden, bei Antibiotika soll sogar eine Reserve für sechs Monate aufgebaut werden.

Die Mehrkosten durch sein Gesetz – das auch noch das Parlament passieren muss – könnten Lauterbach zufolge im Bereich eines „mittleren dreistelligen Millionenbetrags“ liegen.  kr/afp

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