„Welcome Home Mr. President!“

von Redaktion

Joe Biden zelebriert seine irischen Wurzeln wie bisher kein Amtsinhaber im Weißen Haus – jetzt kommt er zu Besuch

Belfast/Ballina – „Stars and Stripes“ – die blau-weiß-rote Flagge der Vereinigten Staaten ist schon Tage vor dem Besuch von US-Präsident Joe Biden in dem Städtchen Ballina allgegenwärtig. Sie hängt als Wimpel an Girlanden über der Hauptstraße, weht vor Pubs und Geschäften. Selbst die Schaufensterpuppen halten kleine Fähnchen in den Händen.

Der US-Präsident, dessen Vorfahren teils aus dem Städtchen im Westen Irlands kommen, ist am Dienstagabend zunächst in Belfast im benachbarten Nordirland gelandet, wo er noch später am Abend zur Feier des 25-Jahr-Jubiläums des Karfreitagsabkommens erwartet wurde. Mit dem Friedensschluss im Jahr 1998 endete ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten. Damals wie heute galten die USA als Garantiemacht des Abkommens, das durch den EU-Austritt Großbritanniens zeitweise als gefährdet galt.

Mehr Zeit als für den Norden hat Biden für die Republik Irland im Süden eingeplant. Neben der Hauptstadt Dublin stehen verschiedene Orte auf dem Programm, die mit der Familiengeschichte Bidens verknüpft sind. Abschluss soll am Freitag eine Rede vor der St.-Muredach-Kathedrale in Ballina werden.

Biden hat nie einen Hehl aus seiner Liebe zur Grünen Insel gemacht. Bei einem Besuch 2016, damals noch als Vizepräsident, sagte er, das Land sei ihm „in die Seele eingeschrieben“. Den Stolz und die Zuneigung verband er aber auch mit Hochachtung für den Mut, alles für ein besseres Leben in der Neuen Welt zurückzulassen – eine Verneigung vor den heutzutage oft nicht gern gesehenen Wirtschafts-Migranten.

In Nordirland trifft Biden auf eine durchaus angespannte Stimmungslage. Kurz vor der Reise gab es Ausschreitungen: Teilnehmer eines nicht angemeldeten Marsches in der Stadt Londonderry, die vom katholisch-republikanischen Teil der Bevölkerung nur Derry genannt wird, griffen am Montag ein Polizeiauto an. Nach Angaben der Polizei wurden Molotow-Cocktails auf einen Transporter geworfen. Das Auto stand in Flammen. Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand.

Nordirland erinnerte am Montag an das Ende des Bürgerkriegs vor genau 25 Jahren. Der Jahrzehnte dauernde Konflikt wurde durch das Karfreitagsabkommen vom 10. April 1998 praktisch beendet. Aufgerufen zu dem Marsch hatte das sogenannte Derry 1916 Commemoration Commitee – eine republikanische Splittergruppe. Der 25. Jahrestag des Abkommens fiel auf den Ostermontag, der ohnehin als traditioneller Protesttag für das republikanische Lager gilt – in Anlehnung an den Osteraufstand 1916, mit dem Republikaner Irlands Unabhängigkeit von Großbritannien erzwingen wollten.

In den vergangenen Tagen hatte die Polizei bereits vor Angriffen auf Polizisten gewarnt. Auch wenn inzwischen Frieden herrscht, leben die beiden dominierenden Lager bis heute noch weitgehend voneinander getrennt. Immer wieder kommt es zu Spannungen.

Das Karfreitagsabkommen sieht vor, dass die Regionalregierung gemeinsam von den beiden jeweils größten Parteien beider Lager gestellt wird. Doch da sich oft eine der beiden Parteien verweigert, ist die Region immer wieder politisch gelähmt – auch jetzt wieder. Nicht einmal das Parlament kann ohne eine Einigung zusammentreten. „Es gab in vier der vergangenen sechs Jahre keine funktionierende Regionalversammlung“, schreibt Politsoziologin Katy Hayward in einem Beitrag für die Denkfabrik Chatham House. Ihr Fazit: Das Abkommen muss dringend saniert werden.

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