Berlin/Bonn – Die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland produzieren bis zum Schluss Strom. So erzeugt etwa das niedersächsische RWE-Kraftwerk Emsland allein in diesem Jahr bis zum 15. April nach Unternehmensangaben rund zwei Milliarden Kilowattstunden. Das entspreche dem Jahresstrombedarf von 500 000 Haushalten, heißt es. Doch wie geht es danach weiter?
Hat die Abschaltung Auswirkungen auf die Stromversorgungssicherheit?
„Nein“, heißt es bei der Bundesnetzagentur: „Es steht genügend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen bereit, um die Stromnachfrage auch nach Abschaltung der Atomkraftwerke zu decken.“
Was hat der Weiterbetrieb bis Mitte April gebracht?
Einen überschaubaren Beitrag. Im Januar und Februar hatte Kernenergie nach Angaben des Branchenverbandes BDEW einen Anteil von vier Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland – ein Drittel weniger als im Gesamtjahr 2022. Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen sagte, der Weiterbetrieb sei hilfreich gewesen, weil französische Atomkraftwerke in großer Zahl noch immer nicht am Netz seien. „Das Stromangebot in Europa war im Winter also niedriger als sonst, und die Nachfrage ist andererseits im Winter besonders hoch, nicht zuletzt, da in Frankreich viele Haushalte mit Strom heizen.“ Der Weiterbetrieb deutscher Akw habe auch geholfen, dass teure Erdgaskraftwerke weniger zum Einsatz kamen.
Haben die Abschaltungen Auswirkungen auf die Strompreise im Großhandel und bei Kleinkunden?
„Weder noch“, sagt Energiemarkt-Expertin Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW. „Die Marktakteure haben sich bereits auf die neue Situation eingestellt. Strom wird bereits jetzt für die kommenden Wochen und Monate gehandelt, und es sind keine Preisanstiege an den Märkten erkennbar.“ Auch das Vergleichsportal Verivox erwartet kurzfristig keine konkreten Auswirkungen auf die Strompreise für Haushaltskunden. „Mittel- bis langfristig könnte die Abschaltung schon Auswirkungen haben, da mit der Kernkraft günstige Stromkapazitäten aus dem Markt genommen werden, die vor allem in Zeiten hoher Nachfrage ersetzt werden müssen“, sagt Energieexperte Thorsten Storck. „Hier wird es darauf ankommen, wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren voranschreitet und wie gut die fehlenden Kapazitäten ausgeglichen werden können.“
Wie werden sich die Strompreise entwickeln?
Laut Verbraucherzentrale sind die Strompreise für Haushaltskunden, die einen neuen Tarif abschließen wollen, deutlich gesunken. „Aktuell gibt es Stromtarife ab circa 32 Cent pro Kilowattstunde plus Grundpreis“, sagt Wallraf. Preissenkungen bei Bestandskundentarifen seien noch eine Ausnahme. Für die kommenden Monate rechnet sie mit einer weiteren Entspannung. Auch das Vergleichsportal Check24 sieht „weiterhin eine positive Entwicklung der Strompreise“. Haushalte könnten nach dem Ende des Winters vor allem bei alternativen Anbietern mit günstigen Preisen rechnen, sagt Energie-Geschäftsführer Steffen Suttner. „Die Entwicklung bleibt allerdings abhängig von den weltpolitischen Ereignissen sowie den Füllständen der Gasspeicher.“ Auch Schlossarczyk rechnet mit sinkenden Endverbraucherpreisen.
Was raten Verbraucherschützer Stromkunden?
Laut der Verbraucherzentrale NRW zahlen viele Haushalte aktuell „noch sehr hohe Preise“, die jenseits der 40 oder sogar 50 Cent pro Kilowattstunde lägen. Wallraf empfiehlt daher, zeitnah zu wechseln, sofern man seinen Vertrag jetzt kündigen könne. Auch Tarife eines Stadtwerks könnten eine Option sein, gerade für Kunden, die in der Energiekrise schlechte Erfahrungen mit Discountern gemacht hätten.
HELGE TOBEN/ANDREAS HOENIG